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Abwasserwiederverwendung – der Weg aus der weltweiten Wasserknappheit?

In großen Teilen der Welt wird Wasser aus Grund- oder Oberflächengewässern gewonnen, um den Wasserbedarf der Bevölkerung zu decken. Diese Wasserressourcen stehen jedoch nicht unbegrenzt zur Verfügung. Der steigende Bedarf an Wasser ist mit der zunehmenden Bevölkerungszahl und der damit einhergehenden steigenden Nachfrage nach landwirtschaftlichen Erzeugnissen, Energie und Industrieprodukten zu erklären. Außerdem nehmen zusätzlich Dürrephasen immer weiter zu. Waren im 20. Jahrhundert die verfügbaren Wasserressourcen und traditionellen Wassersysteme noch weitestgehend ausreichend, um längere Trockenperioden zu überstehen, gilt dies für das 21. Jahrhundert nicht mehr. Es ist deshalb dringend notwendig, die bisherigen Wassermanagementansätze zu überdenken. Ein Projekt zur Abwasserwiederverwendung an der Hochschule Hof nimmt sich dieser Problematik an.

Gereinigtes Wasser im Klärwerk Quelle:©Werner/stock.adobe.com

Besonders für die Landwirtschaft haben die Zeiträume mit Wasserknappheit negative Auswirkungen. Da durch den Mangel an Wasser das Pflanzenwachstum eingeschränkt ist, ist die Ertragssicherheit gefährdet. Um ein nachhaltiges Wassermanagement in allen Lebensbereichen zu gewährleisten, rückt deshalb die Abwasserwiederverwendung immer weiter in den Fokus. „Abwasserwiederverwendung bedeutet, dass Abwasser so aufbereitet wird, dass es an den späteren Nutzen und dem daraus resultierenden Qualitätsanspruch angepasst sein muss“, sagt Prof. Günter Müller-Czygan, Stiftungsprofessor an der Hochschule Hof und Leiter der Forschungsgruppe „Wasserinfrastruktur und Digitalisierung“.

Kommunales Abwasser für Abwasserwiederverwertung interessant

Da kommunales Abwasser mengenmäßig die größte zur Verfügung stehende Wasserquelle ist, sie gleichzeitig aber stets stark verschmutzt ist, muss moderne Technik zum Einsatz kommen. Diese macht es heutzutage möglich, dass wiederaufbereitetes Abwasser eine deutlich höhere Qualität aufweist als manch eine „natürliche“ Wasserquelle.

Die Aufbereitung des Wassers von kommunalen Quellen ist mittlerweile meist unkompliziert, aber je nach Verschmutzungsgrad technisch aufwendig und kostenintensiv“

Prof. Günter Müller-Czygan

Technologien und notwendige Systeme sind aber verfügbar und bereits etabliert. Die Nutzung dieser Wasserquelle bietet somit erhebliche Vorteile: Neben der Schonung und damit nachhaltigeren Nutzung natürlicher Wasserressourcen sind durch die Aufbereitungsschritte auch der Eintrag von Schadstoffen in die Umwelt geringer und Temperaturveränderungen und Versalzung, die ebenfalls für einen gestörten Stoffhaushalt von Gewässern verantwortlich sein können, können minimiert werden. „Die Nutzung von wiederaufbereitetem Abwasser könnte also ein wirksamer Lösungsbaustein für die zunehmende Wasserknappheit darstellen“, so der Forschungsgruppenleiter.

Abwasserwiederverwertung scheitert nicht an Technik, sondern an Akzeptanz

Ziel des Vorhabens FlexTreat (Flexible and reliable concepts for sustainable water reuse in agriculture) an der Hochschule Hof ist es daher, durch die Entwicklung und Demonstration flexibler und an die landwirtschaftlichen Bedürfnisse angepasster technischer und naturnaher Aufbereitungssysteme die sichere Abwasserwiederverwendung in der Landwirtschaft zu fördern. „Viele Projekte zur Abwasserwiederverwendung scheitern aber nicht an Fragen zur Aufbereitungstechnik, sondern am Mangel eines rechtlichen Rahmens sowie an der Akzeptanz auf Nutzerseite“, erklärt Prof. Müller-Czygan.

Prof. Günter Müller-Czygan; Bild: Hochschule Hof;

International etabliert – in Deutschland noch in den Kinderschuhen

International ist die Abwasserwiederverwendung bereits etabliert und wird vielfach eingesetzt. In Deutschland hemmen unterschiedliche Rahmenbedingungen, fehlendes Wissen oder nicht bekannte Erwartungshaltungen auf Nutzerseite deren möglichen Einsatz. Ein konstruktiver Austausch zwischen Wasseranbietern, Behörden und Nutzern wie zum Beispiel Landwirten und Anwohnern ist für die Akzeptanz einer Wiederverwendung von gereinigtem Abwasser zwingend notwendig. „Die Darstellung der Nutzervorteile wie auch die Sicherstellung eines geeigneten Risikomanagements inkl. Monitoring spielen hier eine wichtige Rolle. Vor dem Hintergrund des sich vollziehenden Klimawandels und einer zu erwartenden Verringerung der Wasserverfügbarkeit ist für die Abwasserwiederverwendung zukünftig eine erhöhte Akzeptanz notwendig. Diese stellt sich allerdings nicht von selbst ein, sondern ist neben der Bereitstellung ausgereifter Technik auch das Ergebnis einer zielgerichteten Kommunikation und Informationspolitik“, so Stiftungsprofessor Müller-Czygan. Um Maßnahmen zur Akzeptanzerhöhung definieren zu können, übernimmt die Forschungsgruppe „Wasserinfrastruktur und Digitalisierung“ als Unterauftragnehmer der Pegasys Gesellschaft für Automation und Datensysteme mbH die Akzeptanzuntersuchung im Projekt FlexTreat.

Die Akzeptanz für wiederaufbereitetes Wasser ist von Emotionen abhängig

Allgemein ist die Akzeptanz in der Bevölkerung von verschiedenen Faktoren abhängig, die regional und kulturell sehr unterschiedlich sind. Somit lassen sich keine generellen Schlüsse ziehen. Jeder Einzelfall müsste zu Beginn auf die verschiedenen Faktoren überprüft werden. Je häufiger die Wiederverwendung in Zukunft erfolgt, desto eher werden sich allgemein übertragbare Akzeptanzmuster finden und übertragen lassen.

“In der internationalen Literatur gibt es bereits identifizierte und wissenschaftlich abgesicherte Faktoren, die häufig als Grund für eine ablehnende Haltung gegenüber wiederaufbereitetem Wasser genannt wurden. Deren Übertragbarkeit auf Deutschland werden wir prüfen.”

Dr. Julia Frank, Forschungsgruppe “Wasserinfrastruktur und Digitalisierung

Dr. Frank ist ist für die Durchführung des Projektes verantwortlich.

Dr. Julia Frank; Bild: Hochschule Hof;

Der “yuck-Faktor”

Hier sind soziotechnische, demographische, psychologische, ökologische, ökonomische und kulturelle Faktoren zu nennen, die die Akzeptanz für die Abwasserwiederverwendung beeinflussen. Der bestuntersuchte Faktor ist psychologischer Natur, und wird in der Literatur als „yuck factor“ bezeichnet. Er drückt den Grad der Ablehnung, bzw. des Ekels aus, und geht mit einer geringen Akzeptanz einher. „Der Grad der Ablehnung wird mit einem vermeintlichen persönlichen Gesundheitsrisiko in Verbindung gebracht“, so Frank.

Die kulturelle Prägung erschwert die Übertragbarkeit von regionalen Studien

Aber auch Faktoren wie Alter, Erziehung, Religionszugehörigkeit, Einstellung zum Umweltschutz oder auch das Vertrauen in die Politik spielen beim Thema Abwasserwiederverwendung eine große Rolle. Sie sind so individuell, kulturell und regional unterschiedlich, so dass Studien nur beim „yuck factor“ einen klaren Zusammenhang mit der Akzeptanz erkennen lassen. Bei den Strategien, die Akzeptanz in der Bevölkerung hinsichtlich des Themas Abwasserwiederverwendung zu erhöhen, werden meist Aufklärungskampagnen durchgeführt. In der Bevölkerung fehlt häufig das Wissen generell um die Abwasserreinigung und das Thema ist ohne ausreichend Hintergrundwissen umso emotionaler behaftet. Wichtig in diesem Zusammenhang ist hier, die Bevölkerung über den Prozess der Abwasserreinigung zu informieren. Die Terminologie, die in Informationsveranstaltungen oder Aufklärungskampagnen verwendet wird, ist dabei wichtig zu beachten. Um die Voraussetzungen für eine hohe Nutzerakzeptanz zu schaffen, bedarf es eigener Untersuchungen und eines gezielten Stakeholder-Dialogs auf regionaler Ebene. Genau dafür legt die Forschungsgruppe „Wasserinfrastruktur und Digitalisierung“ mit ihrer Forschung in FlexTreat den Grundstein.


Dr. Julia Frank

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