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Zwei Forscherinnen aus Südamerika über “Mahlzeit” und deutsche Kalenderwochen

Deutschland und lateinamerikanische Länder verbinden vielfältige Beziehungen, wachsende Kooperationen in der Wissenschaft sind seit vielen Jahren zu beobachten. Auch die Hochschule Hof will sich stärker in Richtung Lateinamerika ausrichten. Deswegen hat jüngst Präsident Lehmann hierzu eine Reise in fünf Länder unternommen: Paraguay, Panama, Kolumbien, Mexiko und Costa Rica. Allerdings hat die Hochschule Hof auch jetzt schon zwei Forscherinnen hier auf dem Campus, mit ihnen beiden wollen wir heute über ihre Sicht der Dinge reden: Shantall Cisneros Saldana und Paola Acosta Carrascal arbeiten beide an Forschungsinstituten, die eine im Bereich von Industrie 4.0 und die andere im Bereich Wassermanagement.

Shantall Cisneros Saldana und Paola Acosta Carrascal mit bolivianischem Hund Bruce
Shantall Cisneros Saldana und Paola Acosta Carrascal mit bolivianischem Hund Bruce; Foto: privat

Erzählt uns doch bitte als Einstieg, was und wo Ihr studiert habt?

Shantall: “Ich habe in Bolivien ein Diplom-Ingenieursstudium Erdöl und Erdgas absolviert, danach habe ich in einer Firma als Projektingenieurin gearbeitet und bin dann nach Deutschland gekommen. In Hof habe ich dann den Master Operational Excellence studiert.”

Paola: “Bei mir war es in Kolumbien das Studium Diplom-Umweltingenieur, ich habe anschließend in einer Stiftung dort gearbeitet.”

Waren die Studienstädte in Kolumbien und Bolivien eher größere oder kleinere Städte?

Shantall: “Ich komme aus La Paz und habe dann einen Teil meines Studiums in Cochabamba absolviert. Die Stadt La Paz ist mit etwa 900.000 Einwohnern viel größer als Hof und Cochabamba ist mit etwa 600.000 Einwohnern etwas kleiner als La Paz. Ich war überrascht, dass in Hof die Geschäfte sehr früh schließen und auch am Wochenende gar nicht geöffnet sind. Der größte Unterschied ist für mich allerdings nicht die Stadt selbst, sondern die Natur drumherum. Hier in Oberfranken kann man wirklich toll wandern, das habe ich für mich entdeckt.”

Paola: “In Kolumbien gibt es Medellin und Bogotá, das sind Milionenstädte. Ich komme aus Cúcuta an der Grenze zu Venezuela, das rund 800.000 Einwohner hat und habe in  Bucaramanga studiert, das ca. 600.000 Einwohner hat. Bislang bin ich immer Bus und Bahn gefahren, aber eigentlich gehe ich gerne zu Fuß. In Hof mache ich es oft so, dass ich die Strecke zur Hochschule hinlaufe und mit dem Bus zurückfahre. Tatsächlich habe ich mir gerade ein eBike angeschafft, damit werde ich demnächst unterwegs sein. Das gleicht dann das Auf und Ab in der Stadt gut aus.”

Und wie seid Ihr dann nach Deutschland gekommen?

Shantall: “Ich bin mit einem Deutschen verheiratet und für uns hat sich irgendwann die Frage gestellt, ob wir in Bolivien, Deutschland oder einem quasi neutralen Land leben wollen. Irgendwann fiel die Entscheidung auf Deutschland. Und dann gab es interessante Jobs in der Hofer Region, deswegen sind wir hier.”

Paola: “Ich wollte meine Themen aus dem ersten Studium und aus der Arbeit weiterverfolgen: Luftqualität, Umweltverschmutzung etc. Einen solchen Master habe ich gesucht und bin so an die Uni Stuttgart gekommen, dort habe ich den Studiengang WASTE mit dem Abschluss Master Umweltingenieur absolviert. Mit für Stuttgart hat auch gesprochen, dass ich ein Stipendium der kolumbianischen Regierung bekommen konnte und dass meine Schwester in der Schweiz war, so konnten wir uns auch besuchen.”

Beim Firmenlauf dabei: Shantall und Paola
Beim Firmenlauf dabei: Shantall und Paola; Fotp: privat

Was ist jetzt genau Eure Aufgabe in der Forschung? Woran forscht Ihr?

Paola: “Hier in Hof habe ich an drei Forschungsprojekten gearbeitet, das verteilt sich auf zwei Forschungsinstitute. Meine Schwerpunkte sind weiterhin Wasser und Abwasser. Im Projekt, an dem ich derzeit arbeite, geht es darum, Spurenstoffe zu entfernen wie z.B. Arzneirückstände im Abwasser. Die Verfahren sollen dann in kleineren Kläranlagen Anwendung finden, wir haben deswegen auch 3 Unternehmen und eine Stadt mit dabei.

Shantall: “Bei mir liegt der Schwerpunkt bei Themen rund um Industrie 4.0. Zu meinen Aufgaben gehören Datenanalysen, Projektmanagement und die Entwicklung von Konzepten, die Unternehmen beim Übergang zu Industrie 4.0 helfen, wie z. B. die Gestaltung einer intelligenten Montagelinie. Darüber hinaus haben wir mehrere interessante Projekte in Zusammenarbeit mit internationalen Unternehmen, wie zum Beispiel die Zusammenarbeit mit einem Unternehmen aus Indien, bei dem es um Innovationen in der Lieferkette geht.”

Aus welchem Förderprogramm seid Ihr finanziert?

Paola: “Zuerst war ich aus zwei Projekten des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert, jetzt bin aus einem Projekt der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) finanziert.”

Shantall: “Bei mir ist es eher Auftragsforschung, d.h. Firmen haben uns beauftragt für sie zu forschen. Unsere Stellen sind befristet, wir müssen schauen, wie es danach weitergeht. Vom BMBF gibt es gerade eine Ausschreibung zu Kooperationen mit Lateinamerika, Paola und ich beteiligen uns mit je einem Projekt daran. Wir finden es positiv, dass wir mitauswählen können, an welchen Ausschreibungen wir uns beteiligen.”

„El cuarteto“ an der Hochschule Hof: Paola, Juan Jesus, Diana und Shantall
„El cuarteto“ an der Hochschule Hof: Paola, Juan Jesus, Diana und Shantall; Foto: privat

Ihr seid immer mal wieder in der Hofer Hochschulmensa und in der Cafeteria unterwegs. Wie gefallen sie Euch?

Shantall: “Da wir aktuell nicht so viele Arbeitsschnittpunkte haben, gehen wir einfach ab und zu zusammen in der Mensa essen. Dort treffen wir auch immer andere Kollegen und Kolleginnen, z.B. auch die beiden anderen lateinamerikanischen Mitarbeiter an der Hochschule. In der Cafeteria mag ich den Falafel Sandwich am liebsten, den gibt es fast immer.”

Paola: “Ich bevorzuge definitiv den Schokoladenkuchen!”

Was sind beruflich die nächsten Schritte für Euch? Bleibt Ihr in der Forschung oder doch eher Industrie? Deutschland oder zurück nach Hause?

Shantall: “Mir würde es gefallen, wenn ich noch einige Jahre in der Forschung an innovativen Lösungen arbeiten könnte. Deutschland ist zu meiner zweiten Heimat geworden, hier werde ich mit meinem Mann und meinem bolivianischen Hund bleiben. Da ich mittlerweile beide Staatsangehörigkeiten habe, ist das auch unkritisch.”

Paola: “Ich wollte immer Forscherin sein, insofern passt mir das jetzt sehr gut. Das ist auch der Grund dafür, dass ich anfange darüber nachzudenken, eine Promotion anzugehen. Ich würde gerne noch fünf Jahre hierbleiben, danach sehen wir weiter.”

Gibt es Anekdoten, wenn Ihr an Eure Arbeit hier denkt?

Paola: “Ich hatte – und tatsächlich habe ich es noch immer – Schwierigkeiten mit den hiesigen Grußgewohnheiten: „Grüß Gott“ oder auch „Mahlzeit“. Bei Letzterem dachte ich, dass meine Kollegen mir sagen, dass es Zeit zum Essen ist, später wurde mir klar, dass es ein Gruß zur Mittagszeit ist. Mit „Grüß Gott“ tue ich mich immer noch schwer, ich habe das Gefühl, dass ich so nicht natürlich begrüße.”

Shantall: “Die Terminplanung mit „Kalenderwochen“ kannte ich gar nicht. Ich musste erst mein Handy umstellen, damit ich wusste, wovon die Leute reden.”

Was ist Euch noch aufgefallen?

Shantall: “Seit mein Hund – er heißt Bruce- in Deutschland ist, konnte ich feststellen, dass es viele haustierfreundliche Orte gibt, nicht nur in Restaurants und Hotels, sondern auch Orte, an denen wir mit ihm spazieren gehen und er mit anderen Hunden spielen kann. wir sind zum Beispiel sogar mit anderen Kollegen Wandern gegangen und haben Bruce mitgenommen, er war begeistert.”

Paola: “Mir ist aufgefallen, dass die Natur in Oberfranken immer eher gleich ist, die Höhenunterschiede sind nicht so groß. In Kolumbien gibt es die verschiedenen Klimazonen und so gibt es tropisches und gemäßigt tropisches Klima, in den Bergregionen ist es eher hochalpin und auch sehr viel kälter. Ich habe jedoch das Gefühl, dass es mir hier leichter fällt, die Natur zu genießen. Zusammen mit Bruce gehen wir regelmäßig in der Natur spazieren.”

Was würdet Ihr der neuen Forschenden-Generation raten, wenn sie nach Deutschland kommt?

Paola: “Ich denke, man sollte schon im Vorfeld anfangen Deutsch zu lernen, das macht Vieles einfacher. Das gilt auch, wenn der Master auf Englisch ist. Zu empfehlen ist hier zum Beispiel das Goethe-Institut oder das Instituto Cultural Colombo Alemán. Man sollte auch prüfen, ob man ein Stipendium für sich findet, das ist in der Regel nicht so schwer.”

Deutschlernen in Kolumbien

  • Goethe-Institut
  • Instituto Cultural Colombo Alemán
  • Alexander-Von-Humboldt
  • Casa Cultural Colombo Alemana de Cartagena
  • Fundación Colombo-Alemana
  • Centro Cultural Colombo Alemán de Cali.

Übersicht

Deutschlernen in Bolivien

  • Goethe-Institut
  • Instituto Cultural Boliviano Alemán
  • Centro de Idiomal UCB

Deutschlernen online

“Ich habe in Bolivien am Goethe-Institut angefangen, Deutsch zu lernen, und dann in Deutschland weiter gelernt. Das halte ich auch für wichtig, selbst für so grundlegende Dinge wie das Einkaufen. Ich erinnere mich z.B. an eine Situation in einem Lebensmittelgeschäft und es ging nur um Paybackpunkte – ich habe gar nicht verstanden, was die Dame von mir wollte! Und dann gab es eine sehr lange Diskussion.

Wichtig ist auch, keine Angst vor der neuen Kultur zu haben, man sollte nicht statisch bleiben. Mein Tipp: Raus aus der Komfortzone!”

Shantall
https://learngerman.dw.com/es/aprender-alem%C3%A1n/s-47990814

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Anne-Christine Habbel

Anne-Christine Habbel

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