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Viren- und bakterienfreie Oberflächen – Jessica Wittmann zum Projekt „KH Bett“

Frau Wittmann, erst einmal ganz herzlichen Glückwunsch zum diesjährigen Sonderpreis Forschung, den Ihnen Ende April die Gesellschaft der Freunde und Förderer der Hochschule Hof e.V. verliehen hat. Was machen Sie mit dem Preisgeld?

Vielen Dank für die Glückwünsche. Wir freuen uns sehr, dass wir mit dem Sonderpreis Forschung ausgezeichnet wurden. Der mit 10.000 € dotierte Preis, der 2021 erstmalig ausgelobt wurde, ist für das gesamte Projektteam eine großartige Auszeichnung und würdigt in besonderem Maße sowohl die Forschung an der Hochschule Hof bzw. am Institut für Materialwissenschaften (ifm) als auch die projektbezogene Zusammenarbeit mit der Firma Lacolor Lackfabrikation GmbH aus Enger (NRW). Wir haben noch keine festgelegten Pläne, wofür wir das Preisgeld verwenden möchten, aber wir haben verschiedene Ideen. Wir möchten in biobasierte Spezialrohstoffe investieren. Besonders modifizierte Typen, wie z. B. spezielles Chitosan mit eingestellter Molekülmasse, sind in der Anschaffung bei kleinen Abnahmemengen vergleichsweise kostenintensiv. Ferner beabsichtigen wir das Preisgeld bei Bedarf für einige zusätzliche, spezielle Charakterisierungsmethoden zu nutzen, die an der HAW Hof respektive am ifm nicht zur Verfügung stehen. Darüber hinaus können wir uns vorstellen, dass ein Teil des Preisgeldes für Fachmessen oder Fachliteratur genutzt wird.

Jessica Wittmann und Team bei der Verleihung des Sonderpreises Forschung der Gesellschaft der Freunde und Förderer der Hochschule Hof e.V.; Bild: Jörg Schleicher

Seit 2020 forschen Sie an einer außergewöhnlichen Idee: Mit dem Fischereiabfall Chitosan wollen Sie Oberflächen gegen Viren und Bakterien rüsten und die Verbreitung von Krankheitserregern hemmen. Liegen wir also schon bei einem zukünftigen Krankenhausaufenthalt in einem derart beschichteten Bett oder fahren bald in einem Bus, dessen Sitzplätze praktisch viren- und bakterienfrei sind?

Beide Vorstellungen sind sehr schön und würden definitiv die Welt von morgen ein Stück besser machen. So einfach, wie sich diese Vorstellung auch anhört, ist es jedoch leider in der Praxis nicht. Wenn wir es geschafft haben, einen beständigen und wirksamen Lack zu entwickeln, dann unterliegt jede Anwendung noch normativen Anforderungen und Regularien. Bei unserem Beispiel Krankenhausbett müsste für einen konkreten Einsatz in Krankenhäusern das Robert-Koch-Institut (RKI) zustimmen. Ohne eine entsprechende Genehmigung des RKI dürfen Krankenhäuser bzw. Träger von Krankenhäusern nicht eigenständig die Ausstattungsmerkmale ändern. In diesem Fall kann unsere antimikrobielle Bio-Beschichtung also nur nach Freigabe des RKI verwendet werden. Für den Anwendungsfall im Bus wäre auch hier im Vorfeld zu klären, welche Normen und Richtlinien einzuhalten sind. Sofern unsere entwickelte Beschichtung alle Anforderungen für die Bus-Anwendung erfüllen würde, kann es tatsächlich vorkommen, dass demnächst Anbauteile im Bus mit unserem Lack versehen sind.

Materialien, mit Chitosan-Beschichtung; Bild: Hochschule Hof

Wo könnten die Chitosan-Lackverbindungen in Zukunft überall zum Einsatz kommen?

Prinzipiell könnten die Lackverbindungen auf jeglichen Oberflächen zum Einsatz kommen, die in irgendeiner Art und Weise beschichtet werden. Die antimikrobielle Chitosan-Beschichtung kann unter Einhaltung der normativen Anforderungen und Regularien vielseitig eingesetzt werden, darunter z. B. in öffentlichen Verkehrsmitteln, in Bus und Bahn, in Bibliotheken, in Büros, in Tresen- und Thekenbereichen und überall dort, wo aufgrund eines hohen Publikumsverkehrs ein hohes Infektionsrisiko besteht.

Woher kam die Idee für Ihr Forschungsprojekt?

Die Projektidee entstand rückblickend wie viele Entwicklungen: Die Welt von morgen durch Entwicklungen von heute ein Stück besser zu machen. Themen wie Umweltbelastung, Ressourcenschonung, Keimbelastung, Nutzung von Bio-Rohstoffen aus der Natur, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft bzw. Verwertung von Abfällen sind wesentliche Motivationsfaktoren, die zu dieser Forschung beigetragen haben. Weiterhin ist die Projektidee davon gekennzeichnet, den Einsatz von bisherigen Stoffen wie z. B. Silber, Silber-(Nano-)Partikel oder Kupfer zu reduzieren und durch biobasierte Wirkstoffe zu substituieren. Damit könnte eine zusätzliche Umweltbelastung verhindert werden, da ein möglicher Abbau der Beschichtung die Gefahr bergen kann Silber- oder Kupferpartikel unkontrolliert in die Umwelt freizusetzen.

Wie können sich unsere Leserinnen und Leser einen typischen Arbeitstag im Labor vorstellen?

Einen typischen Arbeitstag als solches gibt es in der Forschung eher selten. Aber wenn ich dennoch einen typischen Labortag beschreiben soll, dann würde er mit einer Abstimmung der nächsten Schritte mit dem Projektpartner starten, woraus ein Versuchsplan erarbeitet wird. Der Projektpartner mischt nach diesem Plan die festgelegten Lackformulierungen und stellt die Musterplatten her. Damit ist eindeutig definiert, welche Kombinationen an Beschichtungsstoffen und Rezepturen angesetzt werden. Falls schon lackierte und getrocknete Proben vorliegen, bereite ich diese für verschiedene Untersuchungen vor. Besonders häufig bestimme ich die Trockenlackschichtdicke, sehe mir dir Lackoberfläche mit einem Lichtmikroskop an, bestimme die Linien- und Oberflächenrauheiten, prüfe den Lack auf Chemikalien- und Kratzbeständigkeit, bereite die Proben für die externe Prüfung der antimikrobiellen Wirksamkeit vor, uvm. Im Anschluss werte ich die Ergebnisse aus und diskutiere sie im Projektteam. Je nach Ergebnislage besprechen wir anschließend welche Optimierungsschritte als nächstes verfolgt werden und warum. Parallel erfolgt immer ein Abgleich mit entsprechender Fachliteratur, um die Ergebnisse verifizieren zu können oder auf bereits vorhandenen Forschungsarbeiten aufbauen zu können. Neben diesen Hauptaufgaben gibt es noch viele weitere Tätigkeiten, wodurch der typische Laboralltag dennoch immer auf seine Art spannend ist.

Jessica Wittmann im Labor bei der Untersuchung von Chitosan-Proben; Bild: Hochschule Hof

Ihr Forschungsprojekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert und soll Ende September dieses Jahres abgeschlossen sein. Wie geht es weiter?

Ja, das Forschungsprojekt „KH Bett“ läuft noch bis einschließlich September 2022. Da wir während der Bearbeitung festgestellt haben, dass das Potential für biobasierte Wirkstoffe sehr groß ist, sind wir an Folgeprojekten stark interessiert. Wenn es sich realisieren lässt, möchten wir gerne mit dem bestehenden Projektpartner lacolor Lackfabrikation GmbH gemeinsam an einer Weiterentwicklung sowie an einer vertikalen und horizontalen Skalierung forschen. So arbeiten wir aktuell bereits an Projektanträgen, die wir zeitnah einreichen möchten. Wir freuen uns sehr, wenn die aktuellen Fördermöglichkeiten uns die Chance geben die Forschung zu biobasierten Wirkstoffen in Beschichtungsformulierungen weiter voran zu treiben und so einen Mehrwert für Umwelt und Wirtschaft zu leisten.

Vielen Dank für das Interview!

Kirsten Hölzel

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