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Campus Münchberg: Experimentelle Studien zu wasserstrahlverfestigten Vliesstoffen

Am Campus Münchberg der Hochschule Hof entsteht derzeit im neuen Vliesstoff-Entwicklungszentrum (VEZ) eine Doktorarbeit zur Entwicklung neuer technischer, wasserstrahlverfestigter Vliesstoffe. Die Dissertation trägt den Titel „Studie zur Entwicklung von wasserstrahlverfestigten Vliesstoffen (Spunlace) und Identifizierung ihrer Anwendungen, insbesondere im Bereich technischer Textilien“ und wird von Biruk Ketema Semu durchgeführt. Er befindet sich im abschließenden Jahr seiner Promotion und ist Teilnehmer des äthiopisch-deutschen Doktoranden-Stipendienprogramms, bei dem er Äthiopien vertritt.

Biruk Ketema Semu (re.) und Prof. Oliver Lottes überprüfen einen modifizierten Düsenstreifen für den Einsatz in der Wasserstrahlverfestigungsanlage; Bild: Hochschule Hof;

Das Doktorandenprogramm ist eine Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und dem Engineering Education Capacity Building Program (EECBP) des äthiopischen Bildungsministeriums. Die Laufzeit beträgt drei Jahre und beinhaltet abwechselnde sechsmonatige Forschungsaufenthalte in Deutschland und Äthiopien. Aktuell absolviert Biruk Ketema Semu das fünfte Semester seiner Forschung, welches in Deutschland stattfindet. Sein Hauptbetreuer ist Professor Oliver Lottes vom Münchberg-Campus der Hochschule Hof, während ihn Professor Dr. Murugesh Babu vom Äthiopischen Institut für Textil- und Modetechnologie an der Bahir Dar University weiterhin unterstützt.

Spunlace-Technik als umweltfreundliche Produktionsmethode

Wasserstrahlverfestigte Vliesstoffe entstehen durch das mechanische Verbinden von Fasern eines Faservlieses, das mithilfe verschiedener Vliesbildungstechniken hergestellt wird. Bei dem als Wasserstrahlverfestigung (Spunlace) bekannten Verfahren werden mittels Hochdruckwasserstrahlen Fasern miteinander verwirbelt und verbunden. Dadurch entsteht ein gleichmäßiger, verfestigter Vliesstoff, der in der Vliesstoffindustrie gemeinhin als Spunlace bezeichnet wird. Im Vergleich zu anderen Vliesverfestigungsmethoden zeichnet sich die Wasserstrahlverfestigung durch ihre Nachhaltigkeit aus, unter anderem durch den Verzicht auf chemische Bindemittel. Zudem ermöglicht sie den Einsatz einer breiten Palette von Fasern und stellt somit eine umweltfreundliche Option für die Vliesstoffproduktion dar.

Vortrag von Biruk Ketema über die Entwicklung der äthiopischen Industrie zur “Nacht der Wissenschaften 2023” an der Hochschule Hof; Bild: Hochschule Hof;

Aufgrund dieser einzigartigen Vorteile erfreut sich die Wasserstrahl-Verfestigungstechnologie bei Einweg-Textilanwendungen im Bereich Hygiene und Medizin großer Beliebtheit. Ihr Potenzial für technische Textilanwendungen wurde jedoch bisher nicht umfassend erforscht, insbesondere im Vergleich zu ihrer dominierenden Anwendung im Marktsegment für Körper- und Haushaltshygieneprodukte. Daher ist das Hauptziel dieser Doktorarbeit die Untersuchung und Weiterentwicklung von wasserstrahlverfestigten Vliesstoffen sowie die Modifikation des Verfahrens für technische Anwendungen im Textilbereich mit verbesserten Leistungseigenschaften.

Innovative Pilotstudien

Im Verlauf der Forschungsstudie wurden nach einer umfassenden Analyse wissenschaftlicher Literatur, Industrieprodukte und Patentanmeldungen zwei innovative experimentelle Pilotstudien durchgeführt. Das Ziel war die Identifikation potenzieller Kategorien für technische Textilanwendungen sowie die Bestimmung der dafür erforderlichen Parameter des Wasserstrahl-Verfestigungsprozesses.

In der ersten Pilotstudie lag der Fokus auf der Produktentwicklung im Bereich der Wasserstrahlverfestigung. Dabei wurde erfolgreich ein wasserstrahlverfestigter Vliesstoff zur Verwendung als Samenmatte hergestellt und in einer Laborstudie zum Wachstum von Grassamen getestet. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass dieses innovative Produkt bei weiterführenden Forschungen eine bedeutende Rolle im Bereich der Agrotech-technischen Textilien spielen könnte, sowie auch als Bestandteil von Gründachprodukten.

„Die Herausforderungen des Klimawandels sind immens – im Bereich Agrotech, der Agrarwirtschaft, muss vieles verändert werden, wir sprechen hier beispielsweise von gesteuertem Pflanzenwachstum, kontrollierter und somit verringerter Wasserzufuhr, frühzeitigem Erntezeitpunkt oder Erosionsschutz. Vliesstoffe bieten hierfür ein hohes Anwenderpotential.“

Prof. Oliver Lottes

Die zweite experimentelle Studie konzentrierte sich auf die Weiterentwicklung des Wasserstrahlverfestigungsprozesses. Dabei wurde ein innovativer Ansatz umgesetzt, um die Bildung von Mikro- und Nanofasern durch das Fibrillieren von Zellulosefasern zu maximieren. „Durch Fibrillierung von Fasern während der Wasserstrahlverfestigung können Mikrostrukturen erzeugt werden, die eine deutliche Qualitätsverbesserung des Spunlace-Vliesstoffes für beispielsweise Filteranwendungen generieren“, erklärt Prof. Lottes.

Dieser Fortschritt im Wasserstrahlverfahren, insbesondere bei Nanofasern, birgt das Potenzial, eine neue technologische Plattform für Produktinnovationen zu schaffen.

Kooperationspartner

Die praktische Umsetzung des experimentellen Teils der Doktorarbeit wird durch Kooperationen mit führenden Unternehmen der Branche, wie Trützschler Nonwovens, Rudolf GmbH, Groz-Beckert KG und LENZING AG unterstützt. Diese Unternehmen stellen nicht nur neue experimentelle Materialien zur Verfügung, sondern auch wertvolle technische Expertise. Nach erfolgreichem Abschluss seiner Forschungsstudien wird Biruk Ketema Semu der Doktortitel von der Bahir Dar University in Bahir Dar, Äthiopien, verliehen.

Prof. Oliver Lottes
Rainer Krauß

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