Das neue Kompetenzzentrum Digitale Verwaltung der Hochschule Hof ist eröffnet. Bei einem Online-Kick-off vor rund 300 Gästen aus dem gesamten Bundesgebiet berichteten ReferentInnen aus Politik, öffentlicher Verwaltung und Wissenschaft den ganzen Tag über Digitalisierungs-Projekte und modellhafte Vorhaben in Landkreisen, Kommunen und anderen Institutionen. Sie teilten dabei ihre Erfahrungen, diskutierten aber auch die Hürden auf dem Weg zu einer bürgerfreundlichen Digitalisierung der deutschen Verwaltung.
Durch die Veranstaltung führten Prof. Dr. Heike Markus und Prof. Dr. Thomas Meuche von der Hochschule Hof, die zusammen die Leitung des neuen Kompetenzzentrums Digitale Verwaltung innehaben. Bereits jetzt liegen der Hochschule Hof diverse Anfragen für die praktische Umsetzung von Forschungsprojekten vor.
Kompetenzzentrum Digitale Verwaltung ist wichtige Säule des Digitalcampus Bayern
Hochschulpräsident Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Lehmann begrüßte alle virtuellen TeilnehmerInnen zu einem spannenden Tag und zitierte den Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder, der aus terminlichen Gründen nicht an der Eröffnung teilnehmen konnte: „Er hätte gesagt: Wir müssen die nächste Raketenstufe starten, wir müssen weitermachen, schneller werden, besser werden.“ Und darum gehe es bei der Eröffnung auch. Dabei sei es nicht nur wichtig, geeignete Tools für die Digitalisierung zur Verfügung zu stellen, sondern in den Köpfen Veränderungen vorzunehmen, und das sei schwierig.
„Die aktuelle Situation zeigt uns, dass riesiger Handlungsbedarf im Bereich der Digitalisierung der Behörden besteht und dass wir eine ganze Menge machen müssen.“
Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Lehmann, Hochschulpräsident
Die Bayerische Staatsministerin für Digitales Judith Gerlach bezeichnete in Ihrer Grußbotschaft das Kompetenzzentrum Digitale Verwaltung als wichtige Säule des Digitalcampus Bayern, mit dem in den nächsten Jahren schrittweise eine digitale Lehr- und Lernplattform insbesondere für die Mitarbeiter*innen der kommunalen Verwaltung in Bayern aufgebaut werden soll.
Engagierte, gut ausgebildete MitarbeiterInnen mit dem richtigen digitalen Mindset seien die zentrale Voraussetzung für den modernen Servicestaat. Hof ist und bleibt dafür eine wichtige Quelle. Neben den heißbegehrten IT-ExpertInnen, die seit über 20 Jahren bereits in Hof ausgebildet werden und die das technologische Rückgrat der Digitalisierung in der Verwaltung bilden, sei es wichtig, dass „jemand da ist, der den digitalen Wandel organisatorisch und rechtlich vorantreibt, jemand mit smarten Methoden, mit sozialen Kompetenzen, um die MitarbeiterInnen im Digitalen Transformationsprozess in der Verwaltung mitzunehmen.“
Genau hier setze auch der Bachelorstudiengang „Digitale Verwaltung“ an, der berufsbegleitend und weitestgehend digital an der Hochschule Hof angeboten wird. Ab Wintersemester 2021/22 lobt das Bayerische Staatsministerium für Digitales 30 Teilstipendien dafür aus. „Bis zu 370.000 EUR sind für den Aufbau des KDV und das Stipendienprogramm im Bachelorstudiengang Digitale Verwaltung vorgesehen.“ so die Ministerin.
Die Herausforderung der Verwaltung heißt “Veränderung”
Prof. Dr. Thomas Meuche führte mit seinem Vortrag in das Thema ein. „Bürgerzentrierte agile Verwaltungsführung“ sei das neue Schlagwort der Zukunft. Die Strukturen, die vor 100 Jahren von Mx Weber für die Verwaltung entwickelt wurden, können in unserer heutigen, komplexeren und agileren Umgebung nicht mehr gelten. Es müsse sich auch die Rolle der Führungskräfte ändern, Prozessdenken nicht die Hierarchie prägen die Verwaltung der Zukunft.
Prof. Dr. Thomas Meuche
Und auch Fehler gehören zur Arbeit. “Wir brauchen eine andere Fehlerkultur. Wenn wir in selbststeuernden Gruppen arbeiten und schnellen Veränderungen folgen wollen, dann muss man auch etwas ausprobieren können. Und ja, wir werden Fehler machen, wir werden stolpern. Aber Stillstand geht gar nicht!”
Das Potential der MitarbeiterInnen stärker nutzen
Diese Ansicht teilt auch Thomas Popp, Staatssekretär für Digitale Verwaltung & Verwaltungsmodernisierung und Chef der Sächsischen Staatskanzlei. Er stellte sehr anschaulich dar, dass es eben nicht nur die IT ist, die für die Digitalisierung zuständig sei, sondern dass sich jede Fachabteilung selbst ihre eigenen Prozesse anschauen und in die Pflicht genommen werden muss.
„Ein schlechter Prozess, der digitalisiert ist, ist ein schlechter digitalisierter Prozess.“ CIO der sächsischen Staatskanzlei.
Thomas Popp, CIO Sächsische Staatskanzlei
Nach seiner Erfahrung gebe es genug Leute, die an der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung mitarbeiten wollen und die das auch können. „Und genau die müssen wir mitnehmen und wir müssen sie auch laufen lassen!“ Das Potential ist also da. Zahlreiche Studien zeigen, dass HochschulabsolventInnen und gut ausgebildete MitarbeiterInnen heute in die öffentliche Verwaltung wollen. Man möchte etwas für den Staat und für die Bevölkerung leisten. „Diese Chancen müssen wir nutzen und diese Leute müssen wir machen lassen.“
Bei der Ausbildung dieser MitarbeiterInnen stehe das Methodenwissen aber über dem Detailwissen, so Prof. Dr.-Ing. Detlef Rätz, Studiengangsleiter Digitale Verwaltung der Hochschule Meißen. „Die Vorbereitung auf das dynamische Leben nach dem Studium muss in der Hochschulausbildung mehr und besser verankert werden.“ Fachwissen kann bereits nach zwei Jahren veraltet sein, deshalb ist es umso wichtiger, dass Mitarbeiter bereit sind, sich neuen Themen zu widmen und die Methoden kennen, mit diesen neuen Themen auch umzugehen.
„Das digitale Arbeitsumfeld wird immer komplexer, wir haben Apps, Portale, Plattformen, Cloud-Lösungen – diese Tools kommen heute in den klassischen Ausbildungsgängen gar nicht vor. Wir haben eine ganze Wolke von Herausforderungen, auf die wir in der Aus- und Weiterbildung reagieren müssen.“ betonte Prof. Rätz. Dazu gehören vor allem generische Kompetenzen, die Studierende befähigen, sich an die dynamischen Prozesse in der Praxis besser anpassen zu können.
Messung des Reifegrades
Welchen digitalen Reifegrad weisen öffentliche Verwaltungen heute eigentlich auf? Um das messen zu können, wurde vom Kompetenzzentrum Digitale Verwaltung in Zusammenarbeit mit dem AKDB ein digitales Reifegradmodell entwickelt. Frau Prof. Dr. Heike Markus übernahm die Vorstellung dieses Modells, das zum Einen den jeweils aktuellen Stand erfasst, zum Anderen aber auch den Handlungsbedarf aufzeigt. “Es reicht nicht, den Handlungsbedarf zu kennen. Die Umsetzung ist ein kontinuierlicher Prozess. Und es geht auch um die Messung, ob die Maßnahmen erfolgreich sind und damit die Ziele erreicht werden”, so Prof. Dr. Markus.
Bei der Digitalisierung sei es wichtig, Prozesse, die in vielen Fällen über die Organisationsgrenzen hinausgehen, von Anfang bis zum Ende zu denken. Was nütze es, wenn die Daten der Bürger digital in der Behörde eingehen, aber dort dann ausgedruckt, abgetippt und abgeheftet werden. Ein Prozess kann nur dann gut digitalisiert werden, wenn die komplette Prozesskette durchdacht wird.
Wesentlich ist, dass die fachliche Auseinandersetzung mit der Digitalisierung vor dem Einsatz der Technologie kommen muss. Aktuell hört man viel über Künstliche Intelligenz und es scheint, als suche man förmlich nach Projekten, um auch etwas mit KI zu machen.”
Prof. Dr. Heike Markus
Dabei sei es ganz entscheidend, sich vorher darüber klar zu werden, wo man in den nächsten Jahren mit seiner Organisation hinwolle und erst dann schließe sich die Technologie als Werkzeug an, um diese Ziele zu erreichen.
Wie die Realität in den Kommunen aussieht, damit beschäftigt sich Katja Köhler, Digitalisierungsbeauftragte der Anstalt für kommunale Datenverarbeitung in Bayern (AKDB). Sie ist vor Ort bei den Kommunen in Bayern unterwegs und kennt den Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Auf die Frage ob es klare Prioritäten bei der Planung und Umsetzung von Digitalisierungsprojekten gibt sagt sie: „Man hat den Eindruck, dass Projekte wie z.B. der digitale Bauantrag umgesetzt werden, weil sie umgesetzt werden müssen. Das geschieht aber heute noch losgelöst und nicht eingebunden in eine übergreifende Strategie.“ In unseren Behörden herrscht oft redundante Datenhaltung vor, einfach aufgrund von Unsicherheiten, ob Dokumente in Papierform aufgehoben werden müssen oder nicht. Ein enormer Arbeits-Mehraufwand.
„Technisch wäre vieles besser machbar, aber die Kommunen haben hier nur einen eingeschränkten eigenen Handlungsspielraum im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten und sind auf Hilfestellung vom Gesetzgeber angewiesen.“
Katja Köhler, Digitalisierungsbeauftragte der AKDB
Wie kann jetzt das Reifegradmodell für die öffentlichen Verwaltungen Nutzen bringen? Das Kompetenzzentrum Digitale Verwaltung entwickelt aktuell ein Onlinetool, mit dem die Organisationen ihren digitalen Reifegrad ermitteln können. Im Ergebnis erhält die Organisation ihre ganz individuellen Ausprägungen für die einzelnen digitalen Dimensionen und dazu konkrete Handlungs- und Umsetzungsempfehlungen. Als zweiter Schritt kann sich die Durchführung von strukturierten Interviews anschließen um Themen kritisch zu hinterfragen, Zusammenhänge zwischen den Prozessen herauszufinden oder auch Maßnahmen zu konkretisieren. Als dritte Möglichkeit für die öffentlichen Verwaltungen bietet das Kompetenzzentrum Digitale Verwaltung der Hochschule Hof an, sich an praxisnahen Forschungsprozessen zu beteiligen.
Wenn man als Verwaltung, Kommune oder Behörde einen konkreten Prozess angehen will, aber nicht genau weiß, wie man diesen in der Praxis umsetzen kann, stellt das Kompetenzzentrum eine offene Test Area zur Verfügung und man kann in Form einer „Musterbehörde“ dort verschiedene Ansätze testen und ausprobieren.
Datenschutz von Anfang an wichtig
Der Landesbeauftragte für den Datenschutz in Bayern, Prof. Dr. Thomas Petri, betonte die Wichtigkeit des Datenschutzes in Digitalisierungsprozessen. Es gehe beim Datenschutz um den Schutz vor Missbrauch und das Recht des Einzelnen auf Privatsphäre. Ein weiteres Kernelement des Datenschutzes sei es, in der Organisation Verantwortlichkeiten festzumachen und sich zu fragen, ob die Verarbeitung der Daten rechtmäßig und legitim ist. Die betroffenen Personen müssen die Verarbeitung transparent nachvollziehen können.
Der Staat habe dabei nicht nur eine Abwehrhaltung, sondern müsse auch Integration und Vertraulichkeit fördern.
„Mein großer Wunsch wäre, dass die Studierenden das Prozessmanagement in der öffentlichen Verwaltung mit dem Datenschutz denken, und von Anfang an bei Digitalisierungsprojekten den Datenschutz und die Grundrechte einbinden.“
Prof. Dr. Thomas Petri, Landesbeauftragter für Datenschutz in Bayern
Wir müssen MitarbeiterInnen digital weiterbilden – und dann sind sie weg?
„Ganz klar ist, dass man MitarbeiterInnen digital weiterbilden muss – aber gleichzeitig muss man auch schauen, was man dafür tun muss, damit sie anschließend eben nicht weg sind.“ so Dr. Christine Meyer, Leiterin des Personalamtes der Stadt Nürnberg. Es gehe hier um ganz unterschiedliche Erwartungshaltungen, auf der einen Seite stehen die Jungen, die „Digitale Natives“, die neu von außen kommen und mit den digitalen Techniken gelernt haben umzugehen, und auf der anderen Seite die bestehenden Verwaltungsmitarbeiter, die im Durchschnitt 45,7 Jahre alt sind und ganz andere Ansprüche haben und deren Ängste man wahrnehmen muss. Prinzipiell aber wird die digitale Weiterbildung der Mitarbeiter bei der Stadt Nürnberg als Arbeitsauftrag verstanden.
„Einerseits sollen sich die MitarbeiterInnen selbst weiterbilden können, um auch zufriedener in ihrem Job zu sein, andererseits muss sich aber auch die Organisation selbst in der Digitalisierung weiterbilden, um den Anforderungen als attraktive/r Arbeitgeber/in gerecht zu werden.“
Dr. Christine Meyer, Leiterin Personalamt Stadt Nürnberg
Studien zeigen, dass für MitarbeiterInnen in der Verwaltung die Ausgestaltung des Arbeitsplatzes sehr wichtig ist. Die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf stelle eine wichtige Stellschraube für die Attraktivität eines Arbeitsplatzes dar. Dabei gehe es um Arbeitszeitmodelle wie Teilzeit, Homeoffice, Mobiles Arbeiten, aber auch um Kinderbetreuung. Diese Themen müssen geschärft werden.
Zum Thema Arbeitsplatz der Zukunft gibt es in der Verwaltung der Stadt Nürnberg ein spannendes Projekt. Das ehemalige Quelle Areal wird genutzt um ein Open-Space Office aufzubauen – mit allen Vorteilen, die sich für die MitarbeiterInnen daraus ergeben, aber auch mit dem Kulturwandel für die Verwaltung und die MitarbeiterInnen, der begleitet und durchlaufen werden muss.
Albert Roesch, Leiter des Amtes für Informationstechnologie der Stadt Nürnberg beginnt seinen Vortrag mit einer spannenden Aussage:
„Wir wollen flexibler und dynamischer werden, wir wollen wie ein Start-Up denken, bleiben aber eine Stadtverwaltung!“
Albert Roesch, Amt für Informationstechnologie Stadt Nürnberg
Also muss sich die Arbeitskultur in der Verwaltung verändern. Anpassungen in Prozessen, aber auch in der IT sind gefragt, die zum Befähiger flexiblen Arbeitens wird. „Ohne die entsprechenden Prozess- und Organisationsänderungen nützt auch die beste Technologie nichts.“ Regelungen und Rahmenbedingungen passen vielfach nicht mehr zu den aktuellen Anforderungen.
Als Bindeglied zwischen Kernverwaltung und IT setzt die Stadt Nürnberg auf DigitalisierungskoordinatorInnen. „Das sind ÜbersetzerInnen, die den digitalen Spirit in die Verwaltung hineintragen. Leute, die sich mit dem Fachbereich, den Abläufen und Prozessen sehr gut auskennen, aber auch den Nutzen, der die IT bzw. die Digitalisierung der Fachabteilung bringen kann, erkennen.“
Genau solche MitarbeiterInnen werden im Bachelorstudiengang Digitale Verwaltung der Hochschule Hof ausgebildet. 15 engagierten MitarbeiterInnen ermöglicht die Stadt Nürnberg derzeit ein Studium in diesem wegweisenden Studiengang. Sowohl die TeilnehmerInnen als auch die Arbeitgeberin sind mit den Ergebnissen hoch zufrieden.
„Jetzt auch noch meine Stadt mit einer App“
Markus Losert ist CIO und CDO der Stadt Karlsruhe und seit 2017 Direktor des neu geschaffenen Amtes für Informationstechnik und Digitalisierung. Für seine Arbeit wurde er 2019 mit dem eGovernment Kommunal Award ausgezeichnet und erhielt den ersten Preis beim Zukunftskongress Staat und Verwaltung. „Die Idee hinter unserer App ist, die städtischen mit digitalen privaten Diensten zu kombinieren. Dadurch werden wir bürgernah und erhöhen die Attraktivität der App.“ schwärmt er.
Niemand brauche eine reine eGovernment App, deshalb hat sich die Stadt Karlsruhe für einen viel breiteren Ansatz entschieden. Dieser geht davon aus, dass die BürgerInnen weit mehr Kontakte zur Stadt haben als nur durch das Amt, z.B. zur Bibliothek, den ÖPNV, zum Zoo oder den Museen. Um die Attraktivität der App weiter zu erhöhen ist zudem geplant auch private Dienstleistungen einzubinden, wie z.B. die regionale Tageszeitung oder ein Rabattsystem für den Einzelhandelsverband. Auch der bereits vorhandene Mängelmelder steht in der App zu Verfügung. Künftig sollen dann auch dürstende Bäume ihre Paten ans Gießen erinnern.
„Wenn man sich überlegt, wie viele Prozesse man hat, um z.B. die Eintrittskarten für den Zoo oder Bibliotheksausweise auszustellen, ergibt sich hier ein erheblicher Mehrwert für die Stadt.“ Noch dazu, habe man die App immer dabei, der Ausweis liege vielleicht zuhause in der Küche. Ein weiterer Vorteil jetzt in der Pandemie sei z.B., dass durch die App Zugangsbeschränkungen aktiviert werden und genau festgelegt werden konnte, wie viele Leute auf das Zoo-Gelände dürfen.
„Wir sehen den Hauptnutzen einer App in der direkten Ansprache aus der Verwaltung in die Bürgerschaft – z.B. kann das Staatstheater Karlsruhe eine Push-Notification an die Bürger schicken: “Wir haben noch 50 Karten für die Veranstaltung heute Abend, die gibt’s ab jetzt zum halben Preis.“ oder „Denkt dran, morgen ist grüne Tonne.“ oder wenn morgen Stadtmarathon ist und man seine Straße eingibt „Bei Dir kommen die LäuferInnen so um 11 Uhr vorbei.“
Markus Losert, CIO und CDO der Stadt Karlsruhe
Die Digitalisierung der Verwaltung ist eine Frage der Einstellung
„Und dabei geht fast alles, wenn man nur will.“ so Thorsten Wilcke, zuständig für Government Innovation, Digitale Strategie und Transformation beim Kreis Nordfriesland.
„Kursänderungen brauchen Zeit und viel Ausdauer. Die besondere Herausforderung eines Flächenlandkreises im Vergleich zu einer Stadt ist die Aufgabenteilung zwischen Ämtern und Kreis, und wie man diese Aufgaben in eine gemeinsame Richtung bringen kann.“
Thorsten Wilcke, E-Government-Beauftragter Kreis Nordfriesland
Die Verwaltung müsse sich viel mehr als Unternehmen sehen und nicht nur verwalten, sondern aktiv mitgestalten. „Wir müssen das Denken in Zuständigkeiten und Hierarchien aufgeben und es schaffen, dass sich unsere Leute als Akteure verstehen, die zu einem Gesamtwerk beizutragen.“ Es brauche Generalisten, die über den Tellerrand hinausschauen können und es müsse eine Prozess- und Toolkompetenz in der Verwaltung Einzug finden. „Auch die Studiengänge müssen sich verändern, weil wir in der Verwaltung andere Skills brauchen. Mitarbeiter*innen müssen zu ProduzentInnen ihrer eigenen Lösung werden. Sie müssen raus aus den Büros und viel mehr unter die Leute gehen.“
Das Ziel sei aber auch, die MitarbeiterInnen von lästigen Aufgaben zu erlösen und das bekomme man nur mit einer gut funktionierenden IT hin. Und mit Lösungs- und Prozess-Trainings, die an den Arbeitsplatz ausgerichtet sind. „Das ist wirksamer als softwarebezogene Schulungen. Es hilft nichts, Microsoft Teams Schulungen durchzuführen, weil die Leute es nicht transformieren können, für welche Zwecke sie das Tool dann zielgerichtet auch einsetzen können.“
Wie eine Cloudlösung den Weg aus der Lehre in die Praxis findet
Lösungs- und Prozessorientierung spielen auch im Bachelor-Studiengang Digitale Verwaltung eine große Rolle. Dabei steht die Verbindung von Theorie und Praxis im Mittelpunkt aller Studienmodule. „Es hilft sehr, dass unsere Dozenten an der Hochschule Hof direkt aus dem Berufsleben kommen. Sie können von Ihren Erfahrungen oder auch von ihren gescheiterten Projekten berichten, so dass man Fehler, die von anderen gemacht worden sind, gar nicht mehr wiederholen muss.“ so Claudia Klein.
„Je nachdem, wie man die Studienmodule auswählt, werden wir so weitergebildet, dass wir zwischen der IT und der Verwaltung vermitteln können, und sogenannte Digitalisierungskoordinatoren werden können.“ erläutert sie weiter. Frau Klein und ihre Kommilitonen Tanja Norgall und Bernhard Meier arbeiten bei der Stadt Nürnberg und studieren berufsbegleitend an der Hochschule Hof. Bei der Onlinekonferenz stellten sie ihre anwendungsorientierte und sehr herausfordernde Projektarbeit im Modul X-as-a-Service vor.
Für das Thema wurde ein Prozess aus der täglichen Arbeit ausgesucht: „Die Digitalisierungsstrategie der Stadt Nürnberg hat im Jahre 2017 beschlossen, dass die rund 160 Nürnberger Schulstandorte über das Breitbandnetz der Feuerwehr an das Internet angeschlossen werden sollen. Unsere Idee war, dafür ein Workflowmanagementsystem einzuführen, in dem der komplette Prozess der Digitalisierung der Schulen abgebildet werden sollte. Alle Dokumente sollten zentral im System hinterlegt sein, damit alle Beteiligten darauf zugreifen können.“ erläuterte Tanja Norgall. Die einzelnen Schulen können dann später sogar übers Handy auf den aktuellen Stand ihres individuellen Prozesses zugreifen. Die komplette Kommunikation erfolge aus dem System heraus und werde zentral im System hinterlegt. Im Projekt wurde von der Idee, über die Konzepterstellung bis hin zur Realisierung alles von den drei Studierenden erarbeitet. Bernhard Meier zieht als Fazit: „Solche Projekte zeigen auf, dass wir mithilfe des Studiengangs in der Lage sind, öffentliche Verwaltungen auf ihrem weiteren Weg in die Digitalisierung maßgeblich zu unterstützen und mit voranzutreiben.“
Vereinfachung der komplexen Arbeitswelt in der öffentlichen Verwaltung
„Eine der wesentlichen Herausforderungen in der öffentlichen Verwaltung ist die Digitalisierung an sich.“ eröffnet Steffen Fuhrmann, Leiter ServiceNow bei der Media Solutions GmbH und Kooperationspartner des Kompetenzzentrums Digitale Verwaltung. Wesentliche Eigenschaften, die die Digitalisierung auszeichnen seien Einfachheit, Schnelligkeit und Komfort. Das kann nur gelingen, wenn man die oder denjenigen in den Mittelpunkt stelle, der den Service benutzt, also die MitarbeiterInnen der Behörde.
Eine veränderte Verwaltungskultur muss zukünftig auf Dienstleistung und Entbürokratisierung ausgerichtet sein um damit Einfachheit und Schnelligkeit zu schaffen, denn letztendlich wird eine effiziente und dienstleistungsorientierte Verwaltung somit selbst zum Wettbewerbsfaktor von Ländern und Regionen werden.“
Steffen Fuhrmann, Media Solutions GmbH
Das Ziel der Cloudplattform von ServiceNow sei es, die öffentliche Verwaltung bei ihrem Digitalisierungsvorhaben zu unterstützen und die komplexe Arbeitswelt zu vereinfachen.
Digitalisierung als Gemeinschaftsaufgabe
Alle ReferentInnen der Veranstaltung sind sich in einem Punkt einig: Die Digitalisierung ist kein Thema, das nur die IT alleine angeht, sondern es geht darum, die gesamte Organisation einzubinden. MitarbeiterInnen, Strategie, Steuerung und Führung sind wichtige Elemente, um die Digitalisierung erfolgreich voranzubringen. Aber es hat sich auch gezeigt, dass noch ein ganzes Stück Weg bis dahin zu gehen ist. Die Onlineumfrage während des Kick-Offs, die eine Indikation für den Reifegrad der Organisationen der TeilnehmerInnen geben sollte, hat gezeigt, dass die meisten Aktivitäten bei der Digitalisierung aktuell in der der Technik, gefolgt von Daten, Prozessen und Mitarbeitern zu finden sind. Strategie, Führung und Steuerung dagegen werden aktuell kaum betrachtet.
Ein weiter Weg, der aber sehr spannend ist!”
Prof. Dr. Heike Markus
Und weiter: „Die ReferentInnen haben in ihren Vorträgen viele großartige Ansatzpunkte und Möglichkeiten dafür aufgezeigt; und das unabhängig davon, ob sich um einen Flächenlandkreis oder um eine Stadt bzw. Kommune handelt. Die unterschiedlichen Herausforderungen können gelöst werden. Jetzt geht es darum, die Themen weiter anzugehen, voranzutreiben und umzusetzen.“
Alle Vorträge der ReferentInnen sind unter www.kdv-hof.de jederzeit abrufbar.
Interview mit Prof. Dr. Thomas Meuche