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Prof. Lehmann: „An meinem Traum von der energieautarken Hochschule bin ich nah dran!“

Als Schüler las Jürgen Lehmann „Die Grenzen des Wachstums“, als Präsident der Hochschule Hof versucht er, seine Ideen zur Nachhaltigkeit umzusetzen – in Forschung, Lehre und Hochschulbetrieb.

Kürzlich sagte Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Lehmann in einem Grußwort „ich bin jemand, der noch Club of Rome gelesen hat“. Er offenbarte damit, dass er – wie viele seiner Generation – nachhaltig durch den vor 50 Jahren veröffentlichten Bericht „Grenzen des Wachstums“ geprägt wurde. Lehmann ist seit 20 Jahren Präsident der Hochschule Hof. Vor gut zehn Jahren entwickelte er das Leitbild der Green Tech University, das Interdisziplinarität, wirtschaftliche Notwendigkeiten und Ressourceneffizienz in den Blick nimmt. Beeinflusst haben ihn dabei auch Erfahrungen, die er als Jurist mit Grundwasserschutz und Abfallmanagement gemacht hatte. Das Forschungsmarketing der Hochschule hat mit Jürgen Lehmann über Gestaltungsmöglichkeiten und persönliche Anliegen gesprochen.

Hochschulpräsident Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Lehmann; Bild: Hochschule Hof;

Forschungsmarketing:  Herr Professor Lehmann, Sie waren Teenager, als 1972 „Grenzen des Wachstums“ herauskam. Wie war das damals, als Sie das Buch gelesen haben?  

Lehmann: “Gelesen habe ich das Buch in der Schule. Ich komme aus relativ einfachen Verhältnissen und habe zwar nicht mehr die direkte Nachkriegszeit erlebt, aber schon noch eine relativ entbehrungsreiche Zeit. In den 70iger Jahren spürte ich, wie langsam eine Übersättigung kam. Man hat gemerkt, dass nicht alles so weitergehen kann. Über einen Lehrer bin ich auf das Buch gestoßen und es erschien mir eigentlich logisch: Die Erde hat gewisse Grenzen und begrenzte Ressourcen, da muss irgendwann Schluss sein, wenn wir immer weiterwachsen. Damals erschien mir das noch logischer als vielleicht heute, man hatte gewisse innovative technologische Entwicklungen noch nicht so im Auge. Das galt auch für die Modelle der Studie. Aber bei aller berechtigter Kritik an diesen Denkfehlern: die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass wir trotz Innovationen immer wieder an Grenzen stoßen.”

Sie sind Jurist. Würden Sie sagen, dass Sie als solcher das Buch anders lesen als beispielsweise ein Naturwissenschaftler?  

“Das würde ich nicht sagen. Für mich stellt das Recht eher einen Rahmen dar, in dem sich menschliches Handeln abspielt. Es kommt weniger darauf an, etwas in ein Gesetz hineinzuschreiben, sondern die Frage ist: ‚kann man das dann auch umsetzen?‘ Meine Philosophie von der Green Tech war schon 2008 ein magisches Dreieck aus Ökologie, Ökonomie und Sozialverträglichkeit, eine heute weit verbreitete Sicht. Wenn ich das Gewicht zu stark auf einen Aspekt lege, vernachlässige ich den Rest. Das kam übrigens im Club of Rome Buch auch schon vor. Der Schwerpunkt lag auf dem Gleichgewicht zwischen Ökonomie und Ökologie und weniger bei den Menschen, aber ohne die geht es nicht, das darf man nicht vernachlässigen. Das Rechtswesen ist dafür aber nicht das Instrument per se. Die Naturwissenschaft ist gefordert, Lösungen anzubieten und der Wille muss da sein, etwas zu verändern. Die rechtliche Gestaltung ist eher nachgelagert. Vielleicht verändert sich das gerade, wenn wir an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz  oder die Diskussion um Natur als Rechtssubjekt denken.”

Würden Sie sagen, dass die Erkenntnisse aus dem Buch Sie Ihr Berufsleben lang begleiten?

“Ich habe als Jurist am Landratsamt im Umwelt- und Baurecht gearbeitet. Ein großes Thema war damals Müll. Als Verbandsrat für eine Sondermüllverbrennungsanlage musste ich mich mit hochgefährlichen Abfällen auseinandersetzen – Defekte in der Deponie wirken sich geschätzt 40.000 Jahre lang aus. Da hatte ich schon den Gedanken – und den habe ich bis heute – dass wir aufpassen müssen, nicht Technologien zu entwickeln, die unsere späteren Generationen massiv belasten. In der Zeit habe ich auch gelernt, dass Modelle die Komplexität der Umwelt nicht wirklich erfassen. Ich habe erlebt, wie Einschätzungen, zum Beispiel zur Grundwassersicherheit, revidiert wurden. Wir sollten sehr vorsichtig sein und die Finger von vorschnellen Schlüssen lassen.

Generell habe ich natürlich Interesse, dass es meinen Kindern künftig gut geht und von daher ist es mir ein Riesenanliegen, die Umwelt zu schonen und zu schützen. Aber das muss von den Menschen akzeptiert werden. Wenn ich ihnen etwas aufoktroyiere, sie nicht überzeugen kann und sie lehnen das ab, komme ich nicht weiter.  Am Landratsamt habe ich gelernt, Recht und Menschen in Einklang zu bringen. Mit den Menschen zu reden, zu verstehen was sie wollen und das mit dem, was der Staat will, unter einen Hut zu bringen. Solche Verhandlungen gehen nicht ohne Kompromisse, das gilt auch für den Umweltschutz.  Sie können nicht mit dem Kopf durch die Wand – da sind wir wieder bei diesem Dreieck.”

Die Hochschule Hof wurde 1994 gegründet, sie ist also halb so alt wie das Buch. Sie sind seit 2002 Präsident. Würden Sie sagen, dass Sie in dieser Position etwas für Ihr Anliegen bewirken können?

“Natürlich haben die Themen, mit denen ich früher zu tun hatte, einen gewissen Einfluss auf meine Präsidentschaft, sei es Emissionsschutz, Wasser oder Abfall.  Wir haben ein Biopolymerinstitut, biologisch abbaubare Stoffe finde ich super. Der nächste Schritt wären recyclebare Stoffe. Noch weniger Rohstoffe zu verbrauchen, indem man mit Sekundärrohstoffen arbeitet, das fördere ich unter allen Umständen. Ich bin gerade dabei, dazu eine nächste Forschungsgruppe zu initiieren.

Wie die Themen Nachhaltigkeit oder Ressourceneffizienz die Hochschule beeinflussen, sieht man an verschiedenen Stellen. Nehmen Sie den Papierverbrauch. Wir haben mal einen Turm mit leeren Papierschachteln gebaut, um zu zeigen, wieviel Papier wir schon eingespart haben. Oder unser neues Gebäude des Instituts für Wasser- und Energiemanagement, das selbst Forschungsobjekt sein wird: Es wird von außen komplett mit Solarpanels eingekleidet und soll mindestens die Hälfe unseres Energieverbrauchs abdecken. Auch Elektroautos sollten wir damit laden. Ich würde seit langem wahnsinnig gern auf all unseren Dächern Solaranlagen installieren. In der Vergangenheit ging das wegen der Statik nicht. Jetzt ließe es sich realisieren, aber nun fehlt das Geld. Schwieriger wäre es schon ein Windrad aufzustellen. Da geht es auch um die Akzeptanz der Hochschule hier in der Nachbarschaft.

Aber falls wir noch ein neues Gebäude bauen, wären eventuell Windkanäle ein Ansatz. Sollte es irgendwann Wasserstoff-Lösungen geben, die für uns umsetzbar sind, werden wir das auch machen. Mein Traum wäre, die Hochschule zu einem ganz erheblichen Teil energieautark zu machen.  Meine Idee von der Wasserautarkie ist leider nicht umsetzbar. Da steht uns die Trinkwasserverordnung im Weg. Aber das mit der Energie würden wir hinbekommen. Für mich ist Green Tech eine im Hintergrund mitschwingende Philosophie, die uns Stück für Stück verändern soll.”

1994 gegründet, versteht sich die Hochschule Hof heute als Greentech-University mit einem Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz; Bild: Hochschule Hof;

Seit 2011, also gut zehn Jahre, gibt es das Leitbild ‚Green Tech University‘ Was hat es für die Hochschule bewirkt?

“Anfangs hat der Begriff Green Tech keine große Freude ausgelöst, im Gegenteil. Viele konnten wenig damit anfangen. Die Informatiker sagten ‚Das ist ja nur technisch, damit haben wir nichts zu tun‘. Aber für mich ist die Informatik die Querschnittswissenschaft schlechthin zu diesem Thema. Es dauert lange, das Leitbild mit allem was sich dahinter umfassend verbindet, an der Hochschule zu verankern. Veränderungsprozesse brauchen Geduld. Aber der Begriff existiert und ich merke, wie die Beschäftigten sich damit auseinandersetzen. Wenn eine Kollegin anmerkt, dass Umweltthemen im Vergleich zu klassischen Studiengängen relativ wenige Klicks bekommen, hat sie sich mit Green Tech beschäftigt. Für mich ist Green Tech eine im Hintergrund mitschwingende Philosophie, die uns Stück für Stück verändern soll.

Unsere Forschungsinstitute befeuern das Thema Nachhaltigkeit sehr. Sei es das Institut für Biopolymere, das für Informationssysteme als Querschnittfunktion, die Textiltechnologie und seit neuestem Wasser und Energie.  Diese Forschung ist ja nicht vom Himmel gefallen, wir fördern sie seit langem ganz bewusst. Früher durften Hochschulen für angewandte Wissenschaften nur forschen ‚wenn Zeit blieb‘. Wir haben in unserem Rahmen den Kolleginnen und Kollegen mehr Freiräume zum Forschen geschaffen und Institute gegründet, um die Forschenden außerhalb der Fakultäten zu stärken. Das bayerische Hochschulgesetz gibt uns jetzt noch mehr Chancen zu forschen und sogar zu promovieren. Es gibt also Veränderungsmöglichkeiten, aber sie sind zäh.”

Wie bilden Sie das Green Tech Leitbild in der Forschung ab? Holen Sie gezielt Projekte, Menschen oder Themen an die Hochschule und gehen Sie vielleicht andere Wege bewusst nicht?

“Wir haben seit Jahr und Tag die Textiltechnologie. Technische Textilien finden vielfältig Anwendung, denken Sie an Flugzeugbau oder Windräder. Mit der ESA haben wir an einem Solarsegel für den Weltraum gearbeitet. Anderes ist bewusst in Richtung Green Tech gelenkt, beispielsweise das Institut für Biopolymere. Ein junger Kollege bewegte sich in die Richtung und als ich das im Hochschulrat erzählte, meinten die externe Hochschulräte, ‚das müssten wir doch intensivieren‘. Innerhalb kürzester Zeit haben wir das aufgegriffen und mit Vehemenz vorangetrieben.

Nun müssen wir die Institute stärker miteinander verbinden. Wir sind eine Hochschule für angewandte Wissenschaften. Also müssen wir versuchen, die Komplexität bestimmter Themen durch die Verknüpfung verschiedener Disziplinen aufzulösen. Zum Beispiel könnten wir Textiltechnologie und Biostoffe verknüpfen und so Bauelemente erzeugen, die es heute vielleicht so noch nicht gibt. Beim 3D Druck könnte ich mir eine Verbindung mit biologisch abbaubaren Stoffen vorstellen. Insgesamt muss man aber ein bisschen auf dem Teppich bleiben und das machen, was zu uns als kleine Hochschule und zu unseren Themen passt. ”

Richten Sie bestimmte Studiengänge ein, weil sie zu dem Leitbild Green Tech passen?

“Ja. Umwelttechnik, Wasser und ähnliche Themen habe ich ganz gezielt mit initiiert. In den Zielvereinbarungen habe ich darauf gedrungen, dass die Themen Nachhaltigkeit und Umwelt in den Studiengängen auftauchen. Ich bin überzeugt, dass Green Tech uns nicht nur jetzt, sondern vor allem in der Zukunft Studierendenzahlen bringen wird. Die junge Generation wird sich mit dem Thema Umwelt stärker beschäftigen müssen, das Interesse wird steigen. Wir müssen unsere Studierenden stärker von Umweltthemen im Studium überzeugen.”

Würden Sie sagen, dass die Ausrichtung in Richtung Nachhaltigkeit der Hochschule im Wettbewerb um Studierende hilft?

“Ich glaube schon. Nehmen Sie den Studiengang Wassermanagement. Um den habe ich lange gekämpft. Unsere ausländischen Studierenden – wir sind ja eng mit Indien vernetzt – fragen den gigantisch nach, denn Wassermanagement ist in ihren Heimatregionen ein Riesenthema. Bei uns ist das noch nicht so stark, aber die hiesigen Studierenden sehen das Interesse und werden auch auf das Thema aufmerksam.  Der Begriff Green Tech ist bewusst englisch gewählt. Ein Drittel unserer Studierenden kommt aus dem Ausland, viele unserer Themen sind für sie hochrelevant. Wasser, Energie, Ressourcen das sind in global sehr große Probleme.

Generell beobachten wir, dass wir unsere Studierenden stärker auf Umweltthemen hinführen müssen. In den Ingenieurswissenschaften haben wir einen Studiengangs-Generator, wo angehende Studierende unter anderem Themenrichtungen wählen können. Wir haben das ausgewertet und gesehen, dass sie überwiegend klassische Bereiche wie Maschinenbau oder Elektrotechnik anklicken, weniger die Themen Umwelt, Nachhaltigkeit oder Green Industry.  Es gibt Studien, die zu anderen Ergebnissen kommen, aber aus unserer Beobachtung schließe ich, dass die Umwelt für unsere Studierenden kein so stark lebensbestimmendes Thema ist, wie man aufgrund der Fridays for Future Bewegung annehmen könnte. Wir müssen die jungen Leute besser abholen, im Dialog mit ihnen herausfinden, wo ihre Neigungen liegen. Dann können wir versuchen, sie zu überzeugen, dass Umwelt ein sehr vielschichtiges Thema ist und beispielsweise nicht nur naturwissenschaftliche, sondern auch wirtschaftliche und viele weitere Aspekte hat. “

Was spricht dagegen, Green Tech für die Studierenden sichtbarer zu machen, die Hochschule stärker als Umwelt-Hochschule zu positionieren?  

“Sie müssen die Hochschule nehmen wie sie ist, mit ihren verschiedensten Ausprägungen. Und sie müssen möglichst viele Menschen mitnehmen. Wir sind im ländlichen Raum angesiedelt, es ist nicht einfach, Studierende und Lehrende hierher zu locken. Unsere Region in Nordostbayern ist stark von der Demographie gebeutelt, dadurch gibt es verhältnismäßig wenig Nachwuchs. Wenn wir uns nur auf Umwelt-Themen ausrichten, bekommen wir nicht genügend Studierende, um die Hochschule aufrecht zu erhalten. Da muss man Kompromisse eingehen. Inhaltlich wollen wir den Weg „Green Tech“ ja weitergehen.”

Wie wird das Leitbild Green Tech auf den Hochschulalltag heruntergebrochen? Etliche Hochschulen haben zum Beispiel die SDGs, also die Nachhaltigkeitsziele der UN,  verankert oder setzen einzelne Themen.

“Es fängt damit an, dass wir relativ viele Bäume gepflanzt haben, dass wir ein Umweltmanagement haben und Umweltaudits machen. Wir hinterfragen immer wieder, was wir besser machen können. Wir sammeln Regenwasser in zwei großen Teichen. Seit 2016 haben wir ein Klimaschutzkonzept. Die Ideen zur Energie- und Wasserautarkie habe ich vorhin ausgeführt. In der Gesamtheit hat das alles Auswirkungen. Mein absoluter Traum wäre das Handy, das ich auf den Misthaufen werfen kann.”

Wie gehen wir als Hochschule damit um, dass Recycling zwar absolut wichtig ist, aber wir nicht endlos recyclen können, sondern irgendwann doch wieder neue Stoffe brauchen werden?

“Meine Vision wäre tatsächlich, dass nahezu alles aus biologischen Stoffen hergestellt werden kann. Wir sind stehen noch am Anfang, aber nehmen wir biologische Fasern: Wenn wir die mit unserem Institut für Textiltechnologie verknüpfen, entstehen neue Baustoffe, die am Ende ihres Lebens verrotten. Man kann sie heute in Klimaanlagen und in der Automobilindustrie einsetzen. Mein absoluter Traum wäre das Handy, das ich auf den Misthaufen werfen kann. Das ist natürlich noch sehr, sehr weit weg.

Ich denke an einen Kreislauf, an dessen Ende eine verhältnismäßig geringe Menge an Material übrigbleibt. Dafür braucht man dann intelligente Müllentsorgung. Wir sind ein rohstoffarmes Land und müssen all unsere Fähigkeiten aus Naturwissenschaft und Technik einsetzen, um genau diese Kreisläufe voranzubringen.”

Die Hochschule Hof ist im ländlichen Raum angesiedelt und soll diesen stärken. Hat dieser Aspekt für das Green Tech Leitbild eine Rolle gespielt?

“Alles was wir an der Hochschule tun, soll ein Stück in die Region hineinwirken und den Unternehmen helfen, auf neue Produkte oder Materialien zu setzen und effizienter zu werden. Die bisherigen Materialien sind ja nicht beliebig verfügbar. Da sind wir wieder bei unseren Biopolymeren und Textilkonstruktionen. Textiltechnologie hilft, Material zu sparen. Allerdings müsste man für Nachhaltigkeit in sehr viel längeren Phasen denken, als Mittelständler das tun können. Für sie ist schwer heute abzuschätzen, ob ein Produkt in 10 Jahren wirklich Erfolg hat. Viele Firmen können sich das nicht leisten, ich verstehe das. Einzelne Unternehmen sind durchaus stark in Richtung Nachhaltigkeit unterwegs, aber es ist noch nicht die große Masse.

Generell sehe ich bei Hochschulen das Problem, dass wir auf unseren Erkenntnissen sitzen bleiben.  Wir forschen und liefern Ergebnisse, aber den Unternehmen fehlen die Ressourcen, den Prototyp wirklich umzusetzen. Wir haben weder Energie noch Personal, die Unternehmen dafür zu coachen. Deshalb wären Vertriebsgesellschaften, die in den Hochschule angedacht sind, ein weiterer Weg, Technologietransfer sicherzustellen. Wir müssen auf junge Leute setzen, die Nachhaltigkeits-Themen von der Hochschule in die Unternehmen bringen.”

Würden Sie sagen, dass die Hochschule mit ihrer Green Tech Ausrichtung zu mehr Nachhaltigkeit in der Region beitragen kann?

“Wenn Sie die Hochschule wegdenken würden, sähe es hier ziemlich traurig aus. Alleine die Tatsache, dass wir viele junge Menschen mit akademischem Rüstzeug ausbilden, die den Unternehmen wichtig sind. Das Thema Green Tech ist bei den Unternehmen mittlerweile schon präsent. Nur, das eine ist das Wissen das andere ist das Handeln danach. Da spüre ich bei vielen Firmen noch keine so grundlegende Veränderung. Ich denke, wir müssen mehr auf Ausgründungen setzen und über junge Leute andere Themen in die Unternehmen bringen. In dem Zusammenhang ist die Hochschule ein wichtiger Baustein für die regionale wirtschaftliche Veränderung.”

Angesichts der immer noch ungelösten Klima- und Nachhaltigkeitskrise fragen sich viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, ob sie politischer, aktivistischer werden sollten. Wie politisch sollte die Hochschule Ihrer Ansicht nach sein?

“Wir sind ja eigentlich politisch. Wir haben einen gesellschaftlichen Auftrag, und das heißt auch, den Akteuren draußen deutlich zu machen, dass sich etwas ändern muss.  Nur Lehre und Forschung zu machen, ist meines Erachtens zu wenig. Ich denke schon, dass wir besser kämpfen müssen. Ob wir politischer oder eher gesellschaftlich lauter werden, sei dahingestellt.”

Blicken Sie persönlich düster oder eher hoffnungsvoll in die Zukunft? Wir sprechen Ende April, zur Zeit des Ukraine-Kriegs, aber die Frage bezieht sich auf die globale Klima- und Nachhaltigkeitskrise.  

“Ich bin von Natur aus kein Pessimist. Für mich gibt es Herausforderungen und neue Wege zu begehen, um weiter zu kommen, an der Hochschule und auch privat. Ich hoffe immer noch, dass die Menschen im letzten Moment die Kurve kriegen. Das wird noch dauern, da bin ich schon pessimistisch. Die Menschen brauchen mehr Druck, müssen die Umweltbelastungen stärker direkt erfahren. Aber ich glaube schon an unsere Innovationskraft, wenn es auch auf den letzten Drücker passieren wird.”

Hochschule Hof, Juli 2022


Anne-Christine Habbel

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