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Zurück zur Kernenergie? Stadtvorlesung lud zur Diskussion über Alternativen

Die Rückkehr zur Atomkraft spaltet Politik und Gesellschaft. Zwischen Klimazielen, steigenden Strompreisen und technologischen Unsicherheiten mehren sich die Stimmen, die einen Wiedereinstieg in die Kernenergie fordern. Ob das tatsächlich ein gangbarer Weg ist, diskutierte Professor Dr.-Ing. Tobias Plessing, Leiter des Instituts für Wasserstoff- und Energietechnik an der Hochschule Hof, am Dienstagabend im Rahmen der Stadtvorlesung im Studierendencafé „Zur Auszeit“.

Viele Fakten und angeregte Diskussionen mit den Besucherinnen und Besuchern der Stadtvorlesung; Bild: Hochschule Hof;

In seinem Vortrag zeichnete Plessing die Entwicklung des deutschen Strommarkts nach – von der Liberalisierung über den massiven Ausbau erneuerbarer Energien bis hin zur heutigen Situation eines Netzes, das in Regionen wie Hof bereits von Überproduktion geprägt ist.

Wir haben heute schon zu viel Strom im Netz, weil Wind- und Sonnenenergie in bestimmten Zeiten übermäßig verfügbar sind.”

Prof. Dr. Tobias Plessing

Die Herausforderung bestehe nun darin, diese Energie effizient zu speichern – etwa in Pumpspeicherkraftwerken oder über Wasserstofftechnologie.

Die Kernenergie, die nach dem deutschen Atomausstieg 2023 endgültig abgeschaltet wurde, bewertete Plessing ambivalent. Zwar sei Atomstrom CO₂-arm, aber keineswegs emissionsfrei – insbesondere beim Bau der Anlagen. Zudem seien Sicherheitsbedenken, wie sie nach den Katastrophen in Tschernobyl und Fukushima öffentlich wurden, nicht ausgeräumt:

In der Regel ist es nicht die Technik, sondern der Mensch, der versagt.”

Prof. Dr. Tobias Plessing

Der Gedanke, ein solches „Monster“ kontrollieren zu müssen, sei nach wie vor mit Unsicherheiten behaftet. Auch zum Thema Endlagerung bezog Plessing deutlich Stellung. Unterirdische Lager seien problematisch, weil zukünftige Generationen den Überblick über den Zustand und die Lage radioaktiver Abfälle verlieren könnten. Derzeit gäbe es weltweit nur zwei Endlager: In Finnland und in den USA, beide unterirdisch. Ein transparentes, oberirdisches Konzept sei aus seiner Sicht vorzuziehen.

Besonders kritisch sah der Referent die oft beschworene Hoffnung auf Fusionsreaktoren:

Wir haben noch nicht einmal funktionierende Prototypen. Frühestens in 25 Jahren ist damit zu rechnen – und selbst dann ist die CO2-Einsparung nur begrenzt.”

Prof. Dr. Tobias Plessing

Am Ende des Vortrags plädierte Plessing klar für einen konsequenten Ausbau erneuerbarer Energien in Kombination mit Speichersystemen und einem intelligenten Lastmanagement sowie einem konsequenten Netzausbau, den man bis dato vernachlässigt habe. „Ab einem Anteil von 50 Prozent erneuerbarer Energien lohnen sich neue Atomkraftwerke wirtschaftlich ohnehin nicht mehr. Erneuerbare sind heute schon die günstigste Art der Stromerzeugung.“

Dass die Strompreise für private Haushalte weiter steigen, kritisierte der Energieexperte offen und ergänzte: „Wir haben einen Energiestrompreis für die Großindustrie, wir brauchen einen niedrigeren Strompreis für private Personen.“

Die Veranstaltung stieß auf großes Interesse. Zahlreiche Fragen aus dem Publikum sorgten für eine angeregte Diskussion – nicht nur auf technischer, sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene.

Mit Blick auf das geplante Energieinstitut der Hochschule kündigte Plessing an, dass das Gebäude energieautark sein solle – mithilfe eines innovativen Eisspeichersystems. „Mein Ziel ist, dass Sie sich ein eigenes Bild machen können“, sagte Plessing zu Beginn seines Vortrags – und bot dafür fundierte, kritische und ausgewogene Argumente.

Anne-Christine Habbel

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