Mit der Frage, wie die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen im Baugenehmigungsverfahren rechtlich gestaltet und gefördert werden kann, befasst sich die aktuelle Promotion von Marc Lehmann. Er schreibt gerade seine Doktorarbeit im Rahmen einer kooperativen Promotion zwischen der Hochschule Hof und der Universität Regensburg und besuchte dabei zuletzt auch ein internationales Doktorandenseminar der Juristischen Fakultäten der Karls-Universität in Prag, der Universität Breslau und der Universität Regensburg zu aktuellen Rechtsfragen. „campuls-digital“ hat dazu mit ihm gesprochen.

im Rahmen einer kooperativen Promotion; Bild: Hochschule Hof;
Herr Lehmann, Sie sind ein gutes Beispiel dafür, dass man auch an der Hochschule Hof seinen Doktortitel erwerben kann – wenn auch aktuell noch in Kooperation mit anderen Hochschulen und Universitäten. Wie kam es dazu und womit genau befasst sich Ihre Doktorarbeit?
“Ich bin wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe „Recht in Nachhaltigkeit, Compliance und IT“ der Hochschule Hof, die am Institut für Informationssysteme (iisys) angesiedelt ist. Das iisys bietet eine interdisziplinäre Forschungsumgebung mit engem Praxisbezug – eine hervorragende Basis für rechtswissenschaftliche Promotionsvorhaben mit Digitalisierungsbezug. Während meiner Tätigkeit am iisys habe ich an der Hochschule Hof den forschungsorientierten Masterstudiengang „Compliance, IT und Datenschutz (LL.M.)“ absolviert, der gezielt die Verbindung juristischer Fragestellungen mit digitalen Transformationsprozessen vermittelt. Dieser Master war für mich die ideale Brücke zur Promotion.
Angeregt wurde die Doktorarbeit durch das Gaia-X-Forschungsprojekt „iECO – Intelligent Empowerment of Construction Industry“. Hier arbeiten wir in der Modellregion Hofer Land gemeinsam mit der LGA Landesgewerbeanstalt Bayern – Prüfamt für Standsicherheit Hof und dem Landkreis Hof an der Digitalisierung der Prozesse im Übergang der öffentlichen Hand zur Bauindustrie.
Die Doktorarbeit wird von Herrn Prof. Dr. Gerrit Manssen (Universität Regensburg) und Frau Prof. Dr. Beatrix Weber (Hochschule Hof) betreut.
Im Rahmen meiner Doktorarbeit befasse ich mich mit der Frage, wie sich die Digitalisierung im öffentlichen Baurecht – insbesondere im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren – rechtlich gestalten lässt. Wenn eine bauliche Anlage wie z. B. ein Gebäude oder eine Brücke gebaut wird, muss sie standsicher sein und darf nicht einstürzen. Um dies zu gewährleisten, muss in der Regel ein Standsicherheitsnachweis erstellt werden. In manchen Fällen wird dieser Nachweis im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens von der Bauaufsichtsbehörde oder einem von ihr beauftragten Prüfingenieur für Standsicherheit, geprüft. Aktuell erfolgt die Prüfung entweder in Papierform oder im PDF. Und hier setzt meine Arbeit an: Ich untersuche, wie die Bauvorschriften geändert werden müssen, damit eine Prüfung in einem digitalen Zwilling (sog. Building Information Modeling [BIM]-Modell) erfolgen kann und inwieweit der Gesetzgeber dazu verpflichtet ist, die Digitalisierung in diesem Bereich zu fördern.




Bauprüfungen sollen zukünftig auch mit Hilfe digitaler Zwillinge umgesetzt werden können. Bilder: siehe Quellenangaben;
In diesem Kontext habe ich im Rahmen einer Rechtstatsachenforschung eine bundesweite Befragung bei Prüfingenieuren für Standsicherheit durchgeführt, um den Ist‑Zustand der digitalen Prüfprozesse und Bedarfe aus der Praxis zu ermitteln. Die Befragung soll dazu beitragen, praxisnahe Anforderungen an eine durchgängig digitale Prüfung – insbesondere von BIM-Modellen – zu identifizieren sowie bestehende Regelungslücken und gesetzgeberischen Handlungsbedarf aufzuzeigen.”
Die Schnelligkeit von Bauprojekten ist insbesondere in Deutschland immer wieder ein heiß diskutiertes Thema. Sind die Prüfverfahren dabei auch ein Zeitfaktor?
“Die Prüfverfahren spielen durchaus eine Rolle bei der Dauer von Bauprojekten in Deutschland, sind jedoch nur ein Faktor im komplexen Zusammenspiel von Genehmigungsprozessen, bürokratischen Hürden und praktischer Umsetzung. Im Falle der Prüfung der Standsicherheit gilt außerdem zu bedenken, dass diese der Abwehr von Gefahren, insbesondere für Leib und Gesundheit, dient. Zeit sollte daher nur bei Prozessschritten eingespart werden, welche nicht die eigentliche Prüfung beeinflussen. So entfällt etwa bei papierbasierten Prüfungen durch Digitalisierung der Versand der Unterlagen per Post – was sinnvoll Zeit spart.”
Wie könnte der Weg zu einer fortgeschrittenen digitalen Prüfung aussehen?
“Aktuell erfolgt die Prüfung des Standsicherheitsnachweises in PDF oder in Papierform. Die Prüfung in PDF stellt dabei bereits einen wichtigen Digitalisierungsschritt dar. Allerdings arbeiten viele Bauprojekte inzwischen mit digitalen Bauwerksmodellen, zum Beispiel im Rahmen des Building Information Modeling (BIM). Dabei wird ein virtuelles Abbild des Gebäudes erstellt (sog. digitaler Zwilling), das nicht nur die Baupläne, sondern auch Informationen zur Nutzung, Wartung und späteren Sanierung enthält. Solche Modelle sind in der Praxis sehr nützlich, können jedoch bisher nicht für die bauaufsichtliche Prüfung genutzt werden. Der Grund: Die geltenden Bauvorschriften sehen keine Möglichkeit vor, BIM-fähige Formate als Bauvorlagen einzureichen – und somit auch nicht, sie zu prüfen.”
Die Digitalisierung des Bauwesens steht vor einem wichtigen Schritt: Wenn die bauaufsichtliche Prüfung von BIM-Modellen künftig rechtlich möglich wird, könnten Bauprojekte moderner, effizienter und umweltfreundlicher umgesetzt werden.“
Marc Lehmann
Das bedeutet, dass die technischen Möglichkeiten noch gar nicht genutzt werden. Was muss sich ändern?
“Rechtlich notwendig ist eine gezielte Fortentwicklung der landesrechtlichen Bauvorschriften. Diese müssen die Möglichkeit schaffen, weitere digitale Formate als verbindliche Bauvorlagen zuzulassen. Ergänzend braucht es Standards und Schnittstellen, die von Behörden einheitlich genutzt werden können.”
Wo lägen die Vorteile?
“Die Digitalisierung der Genehmigungsprozesse kann zu einem spürbaren Abbau bürokratischer Hürden führen. Gleichzeitig bietet sie Potenziale zur Beschleunigung und zur Erhöhung der Transparenz für alle Beteiligten – von Bauherren bis zur Verwaltung.”
Die Einführung weiterer digitaler Formate zur Einreichung und Prüfung von BIM-Modellen in die Bauvorschriften sowie die Entwicklung einheitlicher technischer Standards und Richtlinien sind entscheidend, um die Effizienz und Nachhaltigkeit im Bausektor zu fördern. Dies würde die Verfahrensabwicklung beschleunigen und zu einer umweltfreundlicheren Baupraxis beitragen.“
Marc Lehmann
Wann werden Sie Ihre Arbeit abschließen?
“Ich wurde im März 2023 als Promotionsstudent an der Universität Regensburg angenommen und plane die Dissertation im Laufe des nächsten Jahres, also 2026, abzuschließen.”
Weitere Informationen zum wissenschaftlichen Werdegang und den aktuellen Forschungsprojekten von Marc Lehmann finden Sie hier.