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Wie man dem Starkregen begegnen kann: Alternativen zur Kanalerweiterung gesucht

Jüngst wurde das Studierendenprojekt „Kommunikationskonzept Regenwassermanagement Gebsattel (KoReGeb)“ abgeschlossen, das im Rahmen des Forschungsprojekts ERNie (“Untersuchung des Einsatzes von Regentonnen zum Niederschlagsrückhalt in einem Wohngebiet zur Entlastung des Kanals bei Starkregen”) und im Auftrag des Unternehmens Härtfelder Ingenieurtechnologien GmbH aus Bad Windsheim durchgeführt wurde.

Weit mehr als Plätschern: Zunehmende Starkregenereignisse stellen neue Anforderungen an das Wassermanagement; Bild: ©encierro/stock.adobe.com

Klimawandelbedingte Überflutungen überlasten die Kanalisation

In den letzten Jahren nehmen Starkregenereignisse und Überschwemmungen immer weiter zu. Besonders in urbanen Räumen mit einer hohen Flächenversiegelung kann die Kanalisation schnell überlastet sein, da große Teile des Niederschlagswassers zum Abfluss kommen und der Kanalisation zufließen.

Durch weitere Besiedlung in bereits bestehenden Strukturen ist eine angepasste Dimensionierung der Kanalisation zudem mit sehr hohen Kosten verbunden – denn das bestehende Abwassersystem muss dem Bedarf entsprechend baulich erweitert bzw. erneuert werden.”

Prof. Günter Müller-Czygan

Vor diesem Hintergrund besteht massiver Handlungsbedarf beim Umgang mit konzentrierten Wassermassen, um deren teils verheerende Auswirkungen und Schäden bestmöglich zu vermeiden oder zu minimieren.

Erweiterung des Kanals ist für kleine Gemeinden schwierig

Die kleine Gemeinde Gebsattel in Mittelfranken, westlich von Nürnberg, steht aufgrund eines alten und zu kleinen Abwasserkanals in Verbindung mit seiner Lage in einer Senke genau vor dieser Problematik. Eine Kanalerweiterung stellt für die Gemeinde eine nicht tragbare, hohe finanzielle Belastung dar. Deshalb sollen im Projekt ERNie Alternativen zur Kanalerweiterung durch Regenrückhalt mittels Regentonnen oder Zisternen bei Starkregen untersucht werden.

Ziel des Projekts ist die Umsetzung einer innovativen und kostengünstigeren Alternative für die Entlastung des Kanals durch eine dezentrale Speicherung von Niederschlag.”

Dr. Julia Frank

In Absprache mit von Überflutungen betroffenen Anwohnern sollen Regentonnen bzw. Zisternen auf Grundstücken platziert werden, die untereinander vernetzt sind und fernüberwacht gesteuert werden können. Durch das Füllen der Regentonnen bzw. Zisternen bei starken Regenfällen soll der Kanal entlastet und das Überschwemmungsrisiko verringert werden. Um diese Alternativen zur Kanalerweiterung zu untersuchen, wird zunächst anhand eines Geländemodells der Wasserfluss in der Gemeinde Gebsattel simuliert. Auf Basis dieser Simulation soll dann der jeweils optimale Standort und die Volumina der Regentonnen/Zisternen berechnet werden.

Das Kommunikationskonzept integriert Anwohnerwünsche

Im Projekt ERNie sollen außerdem Wünsche und Bedürfnisse der betroffenen Anwohner durch ein ausgearbeitetes Kommunikationskonzept berücksichtigt werden, um die Interessen der Anwohner zu wahren und dadurch das Projekt erfolgreich umsetzen zu können. Die Studierendengruppe des Masters Projektmanagement der Hochschule Hof, bestehend aus Hanna Teichmann, Lasse Neumann, Oguzhan Günes und Jonas Othmann, übernahm für die Forschungsgruppe „Wasserinfrastruktur und Digitalisierung“ des Instituts für Wasser- und Energiemanagement (iwe) unter der Leitung von Herrn Prof. Müller-Czygan und Frau Dr. Frank die Ausarbeitung dieses Kommunikationskonzepts. Anhand von Fragebögen und Interviews sollte die Bereitschaft der Anwohner zur Akzeptanz der Alternativlösungen für ein wirksames Regenwassermanagement der Gemeinde Gebsattel beleuchtet werden. Über das geplante Projekt waren die Bürger sowohl in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung als auch über das Gemeindeblatt vorab in Kenntnis gesetzt worden. 

Haben die Projektleitung inne: Dr. Julia Frank und Prof. Günter Müller-Czygan; Bild: Hochschule Hof;

Coronabedingt: Interviews per Telefon

In einem Informationsschreiben der Studierendengruppe wurden zunächst die anliegenden Bürger informiert, dass die Interviews im Rahmen des Kommunikationskonzepts im Dezember 2021 coronabedingt nur per Telefon durchgeführt werden würden. Es galt herauszufinden, wie gut sich die Anwohner über das Projekt informiert fühlten, ob sie bereit seien, eine neue Technologie zum Regenwassermanagement auf ihrem Grundstück einzubauen und das Projekt finanziell zu unterstützen und wie sie sich die weitere Kommunikation über den Fortgang des Projekts bestmöglich vorstellten.

Ergebnisse zeigen hohe Akzeptanz bei den Anwohnern

Die Auswertung der Interviews ergab, dass 80 % der Anwohner den geplanten Alternativen für ein wirksames Regenwassermanagement positiv gegenüberstanden. Hierbei stand der Wunsch im Vordergrund, ein wirksames System zur Vermeidung von Überschwemmungen aufzubauen. Neben dem Schutz vor Überschwemmungen erhofften sich die Anwohner aber auch einen Werterhalt der eigenen Immobilie. Die Sorgen der Anwohner waren, Bürger „zweiter Klasse“ zu sein und dass sich die Entscheidungsfindung für eine der Lösungsvarianten noch weiter hinauszögere. Außerdem wurden ein hoher zeitlicher Aufwand sowie hohe Kosten befürchtet. 20 % der Anwohner sprachen sich dafür aus, noch weitere alternative Lösungen für das Regenwassermanagement von Gebsattel zu berücksichtigen, wie beispielsweise die Vergrößerung des Kanals oder die Nutzung eines großflächigen Regenrückhaltebeckens. Sie wollten dadurch eigene Interessen vor denen der Allgemeinheit wahren. Unnötige Baumaßnahmen und eine falsche Kostenverteilung seitens der Gemeinde wurden befürchtet und sie erwarteten durch das geplante Projekt negative finanzielle Auswirkungen für sich und eine Belästigung durch Baumaßnahmen.

Der Handlungsbedarf ist klar: Finanzierung bleibt der Knackpunkt

Aus der Anwohnerbefragung lässt sich erkennen, dass die Finanzierung des Projekts eine wichtige Rolle spielt. Der Handlungsbedarf generell war für alle jedoch klar ersichtlich. Für die positiv eingestellte Gruppe steht der Hochwasserschutz und die damit erhöhte Lebensqualität im Vordergrund. Jedoch wünschen sich die Betroffenen von der Gemeinde nicht allein gelassen zu werden und für den von Anderen verursachten Schaden aufzukommen.

Die Kritiker des Projekts legten Wert auf die Untersuchung der genannten weiteren Alternativlösungen, auch wenn dies ggf. nicht der Sicht der Mehrheit entspricht und viele der Befragten auf Grund unterschiedlicher wirtschaftlicher Situationen ungleich härter treffen könnte. Diese weitaus teureren Optionen würden viele der Befragten auf Grund unterschiedlicher wirtschaftlicher Situationen ungleich härter treffen. In Bezug auf die Kommunikation über das Projekt wünschen sich die Anwohner, bei Bedarf informiert zu werden. Jedoch zeigt sich, dass sich mehr Befragte Verbesserungen bei der bisherigen Informationslage zu dem Projekt wünschen, da die letzte Informationskampagne einige Zeit zurück liegt.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Kommunikation in diesem Projekt vertieft werden sollte, um die positive Einstellung der Anwohner in Bezug auf das geplante Projekt zu erhalten.”

Prof. Günter Müller-Czygan

Hierfür empfehlen sich schriftliche Informationsschreiben im Gemeindeblatt oder die Information per Brief direkt an die Anwohner.


Dr. Julia Frank

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