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Damit er sich die Zähne ausbeisst: Forschung gegen Marderschäden

Mit einem innovativen Forschungsprojekt hat die Hochschule Hof einem der größten Ärgernisse der deutschen Autofahrer den Kampf angesagt: dem Marderschaden. Am Institut für angewandte Biopolymerforschung (ibp) der Hochschule Hof unter Leitung von Prof. Dr. Michael Nase werden in Zusammenarbeit mit dem Automobilzulieferer UNIWELL Rohrsysteme GmbH & Co. KG derzeit Werkstoffe erprobt und getestet, die dem Biss des gemeinen Steinmarders weit besser trotzen sollen als derzeit gängige Materialen in handelsüblichen Schläuchen. Der Markt dafür ist riesig – das Interesse der Automobilindustrie natürlich ebenso.

Forscher David Krieg; Bild: Hochschule Hof

Marder verursachen nach Angaben der großen deutschen Versicherer jedes Jahr einen Schaden von rund 60 Millionen Euro an Kraftfahrzeugen – alleine in Deutschland. Jedes Jahr werden demnach über 200.000 Fälle bei den Versicherungen gemeldet, die für die entstandenen Marderschäden zahlen. Geht es nach David Krieg aus dem oberfränkischen Naila, der das Projekt federführend bearbeitet, soll sich diese immense Schadensbilanz schon in absehbarer Zeit deutlich reduzieren. Dafür forschen Krieg und sein Mitarbeiter Rafael Erdmann in den Technika und Laboren des Instituts an einer wirklich effektiven Lösung für dieses häufige Problem.

Kostengünstige Lösungen gesucht

Ihr Ansatzpunkt ist dabei das, was so häufig dem Marder zum Opfer fällt: Die Schläuche des Motorinnenraums. „Unser Ziel ist es, Schläuche aus einem günstigen Massekunststoff zu entwickeln, welcher einerseits dieselben Eigenschaften wie PVC aufweist und andererseits einen besseren Schutz vor Marderverbiss bietet“. PVC selbst ist zwar aufgrund seiner thermischen und mechanischen Eigenschaften grundsätzlich sehr gut für die Produktion derartiger Schläuche geeignet, allerdings bildet es beim Recycling aufgrund seiner chemischen Zusammensetzung Chlorwasserstoff. Andere, ebenso bissfeste Kunststoffe sind derzeit zu teuer für die industrielle Verwendung. Es gibt also eine Marktlücke, die es zu füllen gilt.  

Seit Juli 2019 mischen und modifizieren Krieg und sein Team darum nun Massekunststoffe, um das gewünschte Ergebnis zu erhalten und die im Automobil verbauten Teile deutlich widerstandsfähiger zu machen und parallel dennoch eine kostengünstige Lösung zu erhalten.

Schmelzpunkt als Herausforderung

Mittlerweile wurden über 200 unterschiedliche Proben aus 35 Werkstoffmischungen entwickelt und getestet. „Wir nutzen dabei die Technik der Strahlenvernetzung zur Modifizierung der Werkstoffe, wir bestrahlen sie also“, so Krieg. Dies geschehe vor dem Hintergrund so wenig wie möglich Additive und andere Zusätze zur Veränderung der Eigenschaften der Kunststoffe zu verwenden. Deutlich vorangekommen sei man bereits, allerdings stelle der immer noch zu niedrige Schmelzpunkt der fertigen Produkte die größte Hürde für den industriellen Einsatz der gefundenen Lösungen dar. Bis zum Ende des Projektes Mitte nächsten Jahres soll sich aber auch hierfür eine Lösung gefunden haben, zeigt sich David Krieg optimistisch.

Natürlich war von Anfang an das Interesse an den Forschungsergebnissen riesig. Entsprechend wird das Projekt durch die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF), einemindustriegetragenen Netzwerk zur Förderung von Forschung, Transfer und Innovation im Mittelstand, finanziert.

Das durchschnittliche Mardergebiss

Beeindruckend ist in jedem Falle, mit welcher Akribie die jungen Forscher gearbeitet haben, um den Erfolg ihrer Kunststoffforschung wissenschaftlich belastbar zu überprüfen. Auf echte Marder konnte man dabei freilich nicht zurückgreifen: „Zusammen mit dem Biologischen Institut Oldenburg haben wir deshalb das durchschnittliche Gebiss des Steinmarders und dessen Bisskraft ermittelt und uns einen Verbiss-Prüfstand gebaut“, so Krieg schmunzelnd. Gefräst aus einem knochenähnlichen Material aus der Zahntechnik findet sich das Mardergebiss deshalb nun an einer Aufhängung befestigt und beißt – angesteuert von einem Computer – in die unterschiedlichen Schlauch-Varianten.

Am typischen Gebiss des Steinmarders wird die Widerstandsfähigkeit der Materialien getestet; Bild: Hochschule Hof

Wie bissfest ist bissfest?

Doch wie viele Bisse muss ein guter Schlauch denn nun aushalten, um als „mardersicher“ zu gelten? Auch auf diese Frage versucht man in Hof die richtige Antwort zu geben. Dem Mardergebiss ausgesetzt werden deshalb auch die derzeit handelsüblichen Schläuche, die sich aktuell in den meisten Autos finden. „So finden wir unseren Referenzwert und können erkennen, ob unsere Materialen bessere Eigenschaften mitbringen“, so der junge Forscher.

Vergrämung durch Bitterstoffe

Freilich ganz allein auf das Material und seine Beschaffenheit will man sich im Kampf gegen den Marderschaden unterdessen nicht verlassen. Zusätzlich zur verbesserten Bisseigenschaft der Schläuche sollen diese zukünftig eine marderabweisen Schicht auf ihrer Oberfläche tragen. „Durch eine Plasmabehandlung mit aerosolgelösten Bitterstoffen möchten wir zusätzlich einen über Jahre anhaltenden Vergrämungseffekt für den Marder erzeugen“, so David Krieg.

Am Institut für angewandte Biopolymerforschung (ibp) der Hochschule Hof tut man also derzeit alles, um es den flinken Tieren mit den scharfen Zähnen so unbequem wie möglich unter den Motorhauben der Republik zu machen.  

Rainer Krauß

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