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Pflege neu denken: Berufserfahrene im Fokus – Julia Nagel leitet neuen Studiengang in Bamberg

Mit dem neuen Bachelorstudiengang „Pflege für Berufserfahrene“ stärkt die Hochschule Hof ihr Profil im Gesundheitswesen. Am Standort Bamberg übernimmt Prof. Dr. Julia Nagel die Leitung und bringt dafür umfangreiche Erfahrung aus Wissenschaft und Praxis mit. Im Interview mit „campuls-digital“ spricht sie über ihren Werdegang, ihre Motivation und die Ziele des Studiengangs.

Prof. Dr. Julia Nagel (sitzend, 2. von rechts) begrüßt die Teilnehmenden des neuen Pflegestudiengangs für Berufserfahrene (B. Sc.) als auch des grundständigen Pflegestudiengangs (B. Sc.) offiziell am Lernort in Bamberg; Bild: Hochschule Hof;

Frau Prof. Dr. Nagel, herzlich Willkommen an der Hochschule Hof! Können Sie uns etwas über Ihren bisherigen beruflichen und akademischen Werdegang erzählen?

„Vielen Dank, es ist mir eine große Ehre, als Professorin an der Hochschule Hof tätig zu sein. Mein beruflicher Weg begann mit einer Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin. 2009 nahm ich das Bachelorstudium Gesundheits- und Pflegewissenschaften an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg auf und arbeitete parallel in der Patientenversorgung, u. a. in der Notaufnahme und auf einer Stroke Unit. Darauf folgte ein Masterstudium Management von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen an der TU Kaiserslautern und der Universität Witten-Herdecke. Auch in dieser Zeit blieb ich in der Pflegepraxis tätig, vor allem auf Intensivstationen.

Im weiteren Verlauf meiner beruflichen Laufbahn kam ich nach Würzburg, wo ich zunächst beim Medizinischen Dienst Bayern in der Einzelfallbegutachtung beschäftigt war, bevor ich ab 2016 beim Medizinischen Dienst Sachsen-Anhalt in die Qualitätsprüfung wechselte. Dort sammelte ich umfassende Praxiserfahrungen und erhielt tiefe Einblicke in die Kriterien qualitativ hochwertiger Pflege. Parallel dazu promovierte ich zum Thema Pflegequalität in der stationären Langzeitversorgung. Dieses Thema entstand aus einem persönlichen Anliegen: In meiner Tätigkeit in der Qualitätsprüfung bin ich wiederholt auf pflegerische Versorgungsdefizite gestoßen und ich wollte mit meiner Forschung dazu beitragen, die hierfür zugrundeliegenden Determinanten zu identifizieren und Lösungsansätze zu entwickeln.“

Was hat Sie persönlich dazu motiviert, sich auf den Bereich der Pflege mit Schwerpunkt auf der Langzeitversorgung zu spezialisieren?

„Die Langzeitversorgung ist für mich nicht nur ein berufliches Feld, sondern ein echtes Herzensthema. In meinem bisherigen beruflichen Werdegang war ich über viele Jahre hinweg in ganz unterschiedlichen Settings der Langzeitpflege tätig: ambulant, teilstationär und stationär. Dabei habe ich nicht nur vielfältige Einblicke gewonnen, sondern auch sehr intensiv miterlebt, wie komplex, herausfordernd und zugleich sinnstiftend die Pflege älterer und vulnerabler Menschen ist. Gerade diese Erfahrungen haben meinen Blick geschärft und meine Motivation gestärkt, mich gezielt auf die Langzeitversorgung zu fokussieren.

Die Betreuung und Unterstützung älterer Menschen ist mir ein besonderes Anliegen. Ich habe im direkten Kontakt erlebt, wie sehr Lebensqualität und Würde davon abhängen, ob Pflege empathisch, kompetent und verlässlich gestaltet wird.”

Prof. Dr. Julia Nagel

Mit Blick auf den demografischen Wandel bin ich überzeugt, dass die Anforderungen an die Langzeitpflege weiter steigen werden und wir noch vor großen Herausforderungen stehen. Umso wichtiger ist es mir, die Pflege in diesem Bereich zu stärken und aktiv mitzugestalten.

Meine Motivation ist es, meine gesamte Kraft und Erfahrung einzusetzen, um künftige Pflegefachpersonen optimal auf diese Aufgaben vorzubereiten. Ich möchte meine Studierenden befähigen, nicht nur fachlich exzellent zu arbeiten, sondern auch mit Empathie, Verantwortungsbewusstsein und Menschlichkeit. Denn am Ende geht es darum, dass Pflegebedürftige die Unterstützung und Zuwendung erhalten, die sie wirklich brauchen und verdienen.“

Wie sind Sie an die Hochschule Hof gekommen und was reizt Sie an der Aufgabe hier in Bamberg besonders?

„Schon lange hatte ich den Wunsch, meine Expertise im Rahmen einer Professur weiterzugeben. Diese Möglichkeit eröffnete sich, als ich die Stellenausschreibung der Hochschule Hof für eine Professur im Bereich Pflege mit dem Schwerpunkt stationäre und ambulante Langzeitversorgung entdeckte. Am Lernort Bamberg reizt mich besonders die Zusammenarbeit mit jungen, wissbegierigen und motivierten Menschen sowie die moderne Arbeitsumgebung. Hervorheben möchte ich vor allem das Skills Lab, das es ermöglicht, Studierende ohne Druck an komplexe Pflegesituationen heranzuführen. Ebenso schätze ich die räumliche Nähe zum Krankenhaus und den engen, sehr engagierten Austausch mit der Pflegedirektorin, Frau Baumann, die die Akademisierung der Pflege mit großem Einsatz vorantreibt. Auch die regelmäßigen Treffen mit bereits akademisiertem Pflegepersonal sind für mich stets bereichernd.

Prof. Dr. Julia Nagel; Bild: Hochschule Hof;

Nicht zuletzt wurde ich von meinem neuen Team, Prof. Dr. Drossel, Frau Tamar Gerholz sowie Ann-Sophie von Castell, sehr herzlich aufgenommen. Die Zusammenarbeit gestaltete sich von Beginn an vertrauensvoll und konstruktiv.“

Was macht den neuen Studiengang aus, wo liegt das Besondere?

„Das Besondere am Studiengang Pflege für Berufserfahrene (B. Sc.), den ich als Studiengangleiterin verantworte, ist die gezielte Weiterqualifizierung von bereits berufserfahrenen Pflegefachpersonen. Bestreben ist es, das pflegerische Handeln durch vertieftes Wissen nachhaltig zu stärken und die Pflegequalität im jeweiligen Arbeitsumfeld zu verbessern.

Die Studierenden lernen, komplexe Fragestellungen mithilfe aktueller wissenschaftlicher Literatur zu bearbeiten und auf dieser Basis evidenzbasierte Entscheidungen zu treffen. Darüber hinaus werden sie befähigt, alltägliche Prozesse kritisch zu analysieren und reflektiert weiterzuentwickeln.”

Prof. Dr. Julia Nagel

Für mich persönlich ist der Studiengang besonders spannend, da die Kommunikation und die Diskussionen mit berufserfahrenen Pflegenden sicherlich anders verlaufen als mit Menschen, die erst in die Pflege hineinwachsen. Auf diesen Austausch freue ich mich sehr, denn ich bin überzeugt, dass wir gegenseitig voneinander lernen und miteinander wachsen können.“

Welche Kompetenzen möchten Sie den Studierenden mitgeben, damit sie optimal auf ihre spätere Berufspraxis vorbereitet sind?

„Die Studierenden im Studiengang Pflege für Berufserfahrene verfügen bereits über eine umfangreiche Berufspraxis und bringen zahlreiche fachliche Kompetenzen mit. Darauf möchte ich systematisch aufbauen. Mein Ziel ist es, ihren Blickwinkel zu erweitern und sie darin zu unterstützen, Pflegesituationen forschungsbasiert einzuschätzen und die bestmögliche Handlungsstrategie zu entwickeln.

So möchte ich im Rahmen meiner Lehre die Fähigkeit fördern, pflegewissenschaftliche Erkenntnisse kritisch zu bewerten und in die Praxis zu übertragen. Dazu gehört auch die Sicherheit im Umgang mit Forschungsdaten und Studienergebnissen, um die Pflege kontinuierlich weiterzuentwickeln. Darüber hinaus geht es darum, (erweiterte) Verantwortung in interprofessionellen Teams und bei anspruchsvollen Pflegeaufgaben zu übernehmen.

Ich lege zudem großen Wert darauf, dass die Studierenden lernen, kritisch zu hinterfragen, konstruktiv zu diskutieren und stets das bestmögliche Outcome für Pflegeempfangende anzustreben. Darüber hinaus ist mir die präventive Beratung wichtig, damit Pflegebedürftigkeit und Erkrankungen nach Möglichkeit vermieden werden. Letztlich möchte ich die Studierenden dazu befähigen, aktiv zur Weiterentwicklung der Pflege als eigenständige Profession mit hoher gesellschaftlicher Relevanz beizutragen.

Welche Rolle spielt die enge Verzahnung von Theorie und Praxis in diesem Studiengang?

„Die enge Verbindung von Theorie und Praxis ist für den Studiengang Pflege für Berufserfahrene von zentraler Bedeutung. Deshalb finden die Vorlesungen nicht täglich statt und sind mit einem begleiteten Selbststudium verknüpft. Auf diese Weise bleibt der direkte Kontakt zu Pflegebedürftigen erhalten, und die Studierenden verlieren den Bezug zur Praxis nicht. Idealerweise setzen sie das neu erworbene Wissen direkt im Berufsalltag um und entwickeln daraus eigenes Erfahrungswissen. Gleichzeitig bietet der Studiengang die Möglichkeit, den bisherigen Lebensstandard zu wahren und sich parallel akademisch weiterzuentwickeln.

Des Weiteren hilft die enge Verbindung von Theorie und Praxis den Studierenden, ihr eigenes Handeln zu hinterfragen und stetig zu verbessern. Im Rahmen des Reflected Practitioning setzen sie sich bewusst mit ihren Erfahrungen auseinander, überlegen, wie ihr Handeln wirkt, und entwickeln daraus praktische Verbesserungen.

Gleichzeitig lernen sie, in der pflegerischen Praxis evidenzbasiert zu handeln und neue Pflegekonzepte umzusetzen. So stärken sie ihre Fähigkeit, Probleme zu lösen, und werden darauf vorbereitet, künftig Aufgaben in Leitungs-, Gestaltungs- oder Forschungskontexten sicher und selbstbewusst wahrzunehmen.“

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen und Chancen in der Pflegebranche in den nächsten Jahren?

„Eine der größten Herausforderungen liegt sicherlich im demografischen Wandel. Die Menschen werden immer älter und zunehmend pflegebedürftig. Häufig treten dabei hochkomplexe und herausfordernde Krankheitsbilder auf, die professionell versorgt werden müssen. Hinzu kommt der zunehmende Fachkräftemangel, der die Pflege vor enorme Belastungen stellt. Dadurch wird der Einsatz von ausländischem Pflegepersonal erforderlich, dessen erfolgreiche Integration von zentraler Bedeutung ist. Nicht zu vergessen sind die veralteten Strukturen des SGB XI, in welchem beispielsweise innovative Rollen, wie Advanced Practice Nurses, Community Health Nurses, Nurse Practitioners oder Clinical Nurse Specialists, oder Community-basierte Modelle bislang nicht vorgesehen sind.

Ich hoffe daher, dass die zunehmende Akademisierung der Pflege dazu beiträgt, den Druck auf politische Entscheidungsträger zu erhöhen und sich als Gesundheitssystem künftig moderner und zukunftsfähiger ausrichten wird.”

Prof. Dr. Julia Nagel

Aus diesem Grund sehe ich in der Akademisierung eine große Chance. Eine weitere bedeutende Chance liegt in der fortschreitenden Digitalisierung. Telepflege, digitale Dokumentation und elektronische Patientenakten können den Pflegealltag erheblich entlasten, während Assistenzsysteme, Roboter und Smart-Home-Technologien Routineaufgaben übernehmen.

Ich wünsche mir zudem, dass der Beruf der Pflegefachkraft gesellschaftlich endlich die Anerkennung und Wertschätzung erhält, die er verdient. Dass professionell Pflegende mit Stolz und Selbstbewusstsein ihre anspruchsvolle Tätigkeit ausüben, dass ihre Fachkompetenz respektiert wird und dass dieser Beruf, wie bereits in anderen Ländern, zu einem angesehenen Vorbildberuf wird, zu dem junge Menschen emporblicken und den es zu erstreben gilt.“

Welche langfristigen Ziele verfolgen Sie mit dem Aufbau und der Weiterentwicklung des Studiengangs?

„Ich gehe davon aus, dass der berufsbegleitende Bachelorstudiengang auch in Zukunft großen Anklang finden wird. Besonders wünschenswert ist es, die Teilnehmerzahl kontinuierlich zu erhöhen. Dabei freue ich mich darauf, hoffentlich im nächsten Jahr tatkräftige Unterstützung durch eine weitere Kollegin oder einen weiteren Kollegen zu erhalten, da demnächst eine weitere Professur ausgeschrieben wird.

Ein zentrales langfristiges Ziel ist zudem die Weiterentwicklung des Studienangebots. So möchte ich, neben dem Bachelorstudiengang, perspektivisch auch einen aufbauenden Masterstudiengang, beispielsweise Advanced Nursing Practice, etablieren.

Darüber hinaus strebe ich an, den Lernort Bamberg als Kompetenzzentrum für Pflegewissenschaft und -praxis zu profilieren. Dazu gehört eine enge Vernetzung mit regionalen Einrichtungen der Gesundheits- und Langzeitversorgung, um Synergien zwischen Lehre, Praxis und Forschung zu schaffen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Gewinnung und Bindung qualifizierter Fachkräfte für die Region Oberfranken.

Auf persönlicher Ebene ist es mir wichtig, eine forschungsstarke, praxisverbundene Studiengangkultur aufzubauen, die Studierende motiviert, Verantwortung für die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems zu übernehmen. Zugleich sehe ich die nachhaltige Entwicklung einer Lehr- und Forschungsinfrastruktur als entscheidend an, um Innovationen im Bereich Pflege langfristig zu ermöglichen.“

Rainer Krauß

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