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Aktueller Vortrag: Die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf Zentralasien

Trotz vieler Diskussionen über steigende Gas- und Benzinpreise hierzulande: Die wirtschaftlichen Folgen des Konfliktes zwischen Russland und der Ukraine betreffen insbesondere die Nachbarländer Russlands in Zentralasien ganz besonders. Dies machte ein beachtenswerter Vortrag von Saule Kemelbayeva, Wirtschaftswissenschaftlerin an der International School of Economics der M. Narikbayev KAZGUU Universität in Nur-Sultan, Kasachstan, deutlich. Auch ein Vertreter der Kasachischen Botschaft war dazu angereist.

Saule Kemelbayeva von der International School of Economics der M. Narikbayev KAZGUU Universität in Nur-Sultan, Kasachstan; Bild: Hochschule Hof;

Mit der privaten Universität KAZGUU im Norden des Landes unterhält die Hochschule Hof ein Partnerschaftsabkommen und bietet ihren Studierenden zudem zwei Doppelabschluss-Angebote für die Studiengänge Wirtschaftswissenschaften und Wirtschaftsinformatik an. Die bestehenden partnerschaftlichen Beziehungen sowie eine Förderung im Rahmen des Erasmus-Programmes nutzte Saule Kemelbayeva, um über die Entwicklungen in Zentralasien seit Beginn des Ukraine-Konflikts zu berichten.

Zentralasien wenig im europäischen Blickfeld

Bedingt durch die strategische und geopolitische Lage der Region und die immer wichtiger werdenden Energie- und Sicherheitsfragen, waren die fünf Länder Zentralasiens – Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan – vor Ausbruch des russisch-ukrainischen Krieges vermehrt in das Blickfeld Europas gerückt. Mittlerweile aber haben Europa und auch Deutschlands die Verwerfungen, die in direkter Nachbarschaft der Konfliktländer entstehen, weitestgehend aus den Augen verloren – obwohl diese durchaus auch mittel- und langfristige Konsequenzen für die westliche Welt haben könnten.

Russlands Wirtschaft eingebrochen

Bei ihrem faktenreichen Vortrag machte die Wissenschaftlerin zunächst deutlich, dass es allerdings Russland selbst sein, das derzeit die härtesten wirtschaftlichen Einbrüche zu verkraften habe:

Der Krieg selbst, aber auch die Sanktionen des Westens führen zu einem mittlerweile dramatischen Einbruch der russischen Wirtschaftsdaten im Bereich der industriellen Produktion und des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – absehbare Wohlstands- und Jobverluste werden hier die logische Konsequenz sein.”

Saule Kemelbayeva

Auch diverse Sicherungsmaßnahme des russischen Staates könnten dies nicht verhindern. Russland sei demnach bereits jetzt gezwungen sich wirtschaftlich vom Westen ab- und Asien zuzuwenden. Dies allerdings sei beileibe nicht so leicht, wie es Russland derzeit gerne aussehen lassen würde: „Um die wirtschaftlichen Aktivitäten auf Asien zu konzentrieren, sind enorme Investitionen in Infrastruktur und Logistik notwendig. Dies kostet nicht nur viel Geld, sondern auch Zeit.“ Die Gefahr einer weiteren Nationalisierung und einer Monopolisierung der Wirtschaft innerhalb Russlands steige, der Lebensstandard sinke und die Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte nehme deutlich zu. 

Energie – und Nahrungsmittelkrise im Mittelpunkt

In Bezug auf die Weltökonomie würde derzeit neben der Energie- vor allem die sich ankündigende Essenskrise diskutiert. Kein Wunder: Russland und die Ukraine produzierten vor ihrem Krieg allein über 25% des weltweiten Angebots an Weizen. Der Weizenpreis sei aber seit Beginn der Kriegshandlungen bereits um 53 Prozent gestiegen und auf dem höchsten Stand seit 2011, so die kasachische Wissenschaftlerin. Ein weiterer Wegfall des Angebots dürfte bekanntermaßen vor allem auch unabsehbare Folgen für den afrikanischen Kontinent mit sich bringen. Doch auch die Entwicklungsländer Zentralasiens – immerhin zusammen größer als der indische Subkontinent –  seien immer stärker vom andauernden Konflikt betroffen.

Als Vertreter des Generalkonsulats der Republik Kasachstan in Bayern war Adil Kuatov (links) anwesend. Daneben: Susanne Krause (International Office), Saule Kemelbayeva, Prof. Dr. Andrej Bachmann und Prof. Dr. Sebastian Leuoth; Bild: Hochschule Hof;

Zentralasien leidet unter Exportabhängigkeit

Zentralasien erlebt demnach derzeit eine wirtschaftliche Schwächephase, die durch autoritäre Systeme, unvollkommene Rechtsinstitutionen sowie durch geopolitische Risiken verstärkt wird. Ein vom Rohstoffboom getriebenes Wachstum bis 2014 ist längst beendet. Sinkende Lebensqualität, Ungleichheit und Korruption belasten die Menschen. In Kasachstan kam es im Januar 2022 zu groß angelegten Massenprotesten und Unruhen ausgelöst durch einen starken Anstieg der Gaspreise. Das Wirtschaftswachstum im Kaukasus und in Zentralasien wird sich voraussichtlich von 5,6% im Jahr 2021 auf 2,6 % im laufenden Jahr verlangsamen – aufgrund der engen Handels- und Finanzbeziehungen zu Russland, der Abhängigkeit von Überweisungen und Tourismus sowie durch Wechselkurseffekte(IWF-Prognose).

„Insbesondere das durchschnittliche Einkommen sinkt – am stärksten in Armenien und Georgien, aber auch in Kirgisistan, Kasachstan und Tadschikistan, wo bis zu 5% weniger Geld zur Verfügung steht“, so Saule Kemenbayeva. Problematisch sei insbesondere, dass keines der Länder über einen eigenen Seehafen verfüge. Speziell Öl werde fast ausschließlich über Russland exportiert, was derzeit immer schlechter möglich sei. Gerade der vom russischen Nachbarn abhängige Transport des Öls sei immer häufiger gestört oder unmöglich. Zudem sei Russland immer noch traditionell der Hauptabnehmer vieler anderer vor Ort produzierter Waren, was ebenso in der derzeitigen Lage zu Einbußen und Jobverlusten führe.

Zentralasien ist hochabhängig vom Export. Wenn dieser gestört ist, stehen vor Ort Wohlstand, Arbeitsplätze und in der Folge möglicherweise auch der soziale Friede auf dem Spiel.“

Saule Kemelbayeva

Organisiert wurde der Besuch durch Prof. Dr. Sebastian Leuoth und Prof. Dr. Andrej Bachmann von der Fakultät für Informatik der Hochschule Hof.


Rainer Krauß

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