Das Auto von morgen fährt mit Strom oder Wasserstoff und besteht aus immer mehr technischen Textilien. Diese Textilien übernehmen immer wichtigere Funktionen bei Komfort, Sicherheit, Akustik und der Kraftstoffeinsparung, weshalb ihr Anteil pro Auto mittlerweile etwa 30 Kilogramm beträgt, Tendenz steigend. Doch die Wiederverwertung der Mischkunststoffe ist derzeit oft mit Schwierigkeiten verbunden. Ein nun abgeschlossenes Projekt des Instituts für Materialwissenschaften der Hochschule Hof (ifm) zusammen mit regionalen Unternehmen erleichtert die Zuführung aller Komponenten in den Wiederverwertungskreislauf. Dabei hilft eine neu entwickelte Recyclinganlage.
Ziel des über zweieinhalb Jahre laufenden Forschungsprojekts war die Entwicklung eines kontrollierten Recyclingverfahrens, mit dem bislang nicht recyclingfähige und heterogene textile Reststoffe zu einheitlichen Textil-Formmassen (Rezyklate) verwertet werden können. Der wissenschaftliche Mitarbeiter Thorsten Bilek und Projektleiter Prof. Oliver Lottes hatten für das Projekt „FaRec“ eine Förderung in Höhe von 190.000 EUR vom Bundeswirtschaftsministerium im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM) erhalten.
Neue Recyclinganlage entwickelt
Zur Umsetzung wurde bei der Firma Barthmann in Zusammenarbeit mit einem regionalen Partner und der Hochschule Hof eine hochinnovative, kontinuierlich arbeitende Textil-Recycling-Anlage entwickelt, konzipiert und installiert. Die Barthmann Kunststoff GmbH (Wunsiedel) ist Spezialist für das Aufbereiten von technischen Kunststoffabfällen und die Richter & Stegner Steuerungstechnik GmbH verfügt über Kompetenz für Steuerungs- und Anlagentechnik.
Am Ende des Projekts ist es nun mit der entwickelten Anlage und dem Verfahren möglich, verschiedene Textilabfälle so zu recyceln, dass das Feinmahlgut zu 100 % wieder für die Herstellung technischer Verbundwerkstoffe eingesetzt werden kann.”
Olaf Thannheiser, Geschäftsführer Barthmann Kunststoff GmbH
Keine Abfälle mehr
Und weiter: „Auch Produktionsabfälle aus der Herstellung dieser Composites können zu 100 % wieder recycelt werden. Es entsteht somit ein Zero-Waste-Produkt – es gibt keinerlei Recyclingverluste.“ Eine vorrangige Anforderung im Rahmen des Projektes war es zunächst, großflächige Stanzrückstände aus schweren textilen Verbundwerkstoffen, welche aufgrund der Stoffzusammensetzung nicht recyclingfähig sind, kontrolliert auf eine definierte Korngröße fein zu mahlen. Dieser gemahlene Werkstoff soll wiederum als sogenannter „Sandwichkern“ für die Herstellung neuer Verbundwerkstoffe verwendet werden. „Um dies zu erreichen, musste das Feinmahlgut mit sortenreinen textilen Reststoffen angereichert und homogenisiert werden“, erklärt Forschungsgruppenleiterin Alexandra Luft.
Mehrstufiger Verkleinerungsprozess
Hier kamen nun Textilhersteller und textilverarbeitende Unternehmen ins Spiel: „Bei der Fertigung von Textilien aus Mischfasern fallen große Mengen Abfälle an, die bislang nur energetisch oder stark eingeschränkt werkstofflich verwertet werden können. Für das Projekt wurden einerseits thermoplastische textile Reststoffe, als auch Reststoffe mit Zellulosefaseranteil aus industrieller Produktion charakterisiert und geprüft“, ergänzt Thorsten Bilek.
Aufgrund unterschiedlicher Materialien, welche teilweise in Form und Größe als Randabschnitte, Rollen oder Platinen vorliegen können, ist demnach ein mehrstufiger Zerkleinerungsprozess erforderlich, um ein geeignetes streufähiges Faserfeinmahlgut herzustellen. Zuerst werden die großflächigen, kompakten Textilabfälle mittels eines speziellen Schredders zu groben Chips zerkleinert.
Ziel ist es, die textilen Strukturen dabei weitestgehend aufzulösen. Im Anschluss müssen die Textilchips einem Mischer zugeführt werden, um vor dem Feinvermahlen eine erste gleichmäßige Materialdurchmischung zu generieren.
Prof. Oliver Lottes
Produktionsanlage installiert
Auch der industrielle Einsatz der Forschungsergebnisse ist bereits gesichert: Aufbauend auf diesem Projekt wurde bei der Firma Barthmann Kunststoff GmbH bereits eine erste Produktionsanlage mit einer Kapazität von deutlich über 100 Tonnen pro Monat installiert.