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Lebensmittel sicher und nachhaltig in modernster Aquaponik produzieren

In einem über zwei Jahre laufenden Forschungsprojekt untersucht die Hochschule Hof eine nachhaltige Lebensmittelproduktion in Aquaponik ganz ohne Mikroplastik. Die Forschenden um Projektleiterin Prof. Dr. Manuela Wimmer hatten für „BioBioCarrier“ eine Förderung in Höhe von 220.000 EUR vom Bundeswirtschaftsministerium und im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM) erhalten. 

Bild: Hochschule Hof;

Kunststoffe in der Nahrungskette sind ein häufig diskutiertes und immer wichtiger werdendes Thema: Nicht zuletzt über den Verzehr von Fisch nehmen die Verbraucher heute steigende Mengen Mikroplastik in den eigenen Körper auf. Schuld hieran sind insbesondere die großen Mengen an Kunststoffabfällen, die sich mittlerweile in den Weltmeeren befinden. Sie werden dort in winzig kleine Partikel zerteilt und von Meerestieren aufgenommen. Das Problem selbst stellen aber nicht nur die winzigen Partikel dar. Gift-und andere Schadstoffe binden sich an die im Verhältnis sehr großen Oberflächen der Mikro- und Nanopartikel, reichern sich dort an und können dann in großen Mengen in den Organismus aufgenommen werden. Mikroplastik wurde in zahlreichen Umweltkompartimenten und Lebensmitteln nachgewiesen. Kunststoffe können entweder direkt als Mikropartikel in die Umwelt gelangen oder von Makroplastik durch Umwelteinflüsse in kleinere Fraktionen umgewandelt werden. In jedem Fall ist dies eine ernstzunehmende Herausforderung.

Mikroplastik vermeiden

Das Problem des Mikroplastiks findet sich aber nicht nur in den Ozeanen, sondern auch im Süßwasserbereich – und genau hier setzt das neue Forschungsprojekt an:

In der Teichwirtschaft oder in großen Aquakulturen lässt sich Mikroplastik durch die geschlossenen Wassersysteme deutlich besser ausschließen. Andererseits aber führt auch hier der Faktor Mensch dazu, dass Mikro- oder Makroplastik dennoch in die Teiche oder Durchflussanlagen kommt und von dort seinen Weg in den Organismus von Fischen, Nutzpflanzen oder Muscheln findet. Dieses Risiko wird zusätzlich auch durch diverse funktionelle Kunststoffteile im System selbst verstärkt.

Prof. Dr. Manuela Wimmer, Leiterin Projekt “BioBioCarrier”
Prof. Dr. Manuela Wimmer leitet das Forschungsprojekt “BioBioCarrier”; Bild: privat;

Dennoch setzen sich Kunststoffe bei der Verwendung als Aufwuchskörper durch, da der Werkstoff stabil, preiswert, leicht und recht einfach in komplexe Formen gebracht werden kann. Ein einzelner Aufwuchskörper ist zwar deutlich kleiner wie ein Lockenwickler aber gleicht diesem optisch doch sehr und weist bei geringer Größe eine hohe Oberfläche auf. Diese Oberfläche dient nützlichen Bakterien als Siedlungsfläche.  Seine Vorteile stellen aber zugleich einen der größten Nachteile zugleich dar: seine Dauerhaftigkeit. Konventioneller Kunststoff benötigt etwa 100 Jahre um sich zu zersetzen. Sollte also Mikroplastik in geschlossenen Aquakulturen vorliegen, stellt dies ein langfristiges Problem dar. Geschlossene Aquakulturen sind gekennzeichnet von einer wiederholenden Kreislaufführung des Wassers. Möglich ist dies dadurch, dass man das Wasser aufbereitet, also reinigt. An Frischwasser wird bei diesen Systemen nur maximal 10% der Gesamtwassermenge täglich zugeführt. Hauptsächlich gleicht man also die Verdunstung von Kreislaufwasser über in Luftkontakt stehende Flächen aus.

Grund genug, Alternativen zu finden, um so die Vorteile von geschlossener Aquakultur und der integrierten Aquakultur – wie zum Beispiel der Aquaponik – unter Ausschluss negativer Einflüsse wie zum Beispiel Mikroplastik zu gewährleisten.

Integrierte Aquakultur stellt die Produktion von unterschiedlichen Organismen dar, welche gegenseitig voneinander profitieren. Prominentes Beispiel dieser Kulturform ist die Aquaponik. Ein zusammengesetztes Wort aus Aqua-kultur und Hydroponik. Der kombinierten Produktion von aquatischen Tieren und der Kultur von Nutzpflanzen ohne den Einsatz von Erde. Die nachhaltige Kulturform ist zukunftsweisend, da mit der Mehrfachnutzung des Wassers eine Reduktion des Wasserbedarfs um ca. 90% im Vergleich zu konventioneller Produktion realisiert werden kann. Für die Aquaponik wollen die Wissenschaftler im neuen Projekt nun eine innovative Lösung entwickeln.

Abbaubare Biokunststoffe für Aquakulturen

Dr. Harvey Harbach, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt, erklärt den Projektansatz:

Unser Forschungsschwerpunkt sind die sogenannten Aufwuchskörper der Aquakulturen. Diese dienen in einem Filter nützlichen Bakterien als Siedlungsfläche. Mit diesen Bakterien wird das Wasser der Aquakulturen aufbereitet und von schädlichen Stoffen gereinigt.”

Dr. Harvey Harbach, Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Dr. Harvey Harbach – hier beim Abfischen eines Teiches; Bild: privat;

Durch diese Bakterien wird Ammonium und Nitrit in das unschädlichere Nitrat um, das als Pflanzendünger wirkt. Es ergeben sich dadurch gleich mehrere Vorteile für den Betreiber einer Aquaponik. Nitrat reichert sich natürlicherweise im Kreislauf als Stoffwechselprodukt der Fische an. Die Reduktion des Nitrats muss dann in konventionellen Aquakultursystemen durch eine Verdünnung des Kreislaufwassers mit Frischwasser bewerkstelligt werden. Es entstehen demnach Kosten für das Frischwasser, die Temperierung des Wassers auf die Anlagenwerte und die Entsorgung des belasteten Abwassers. Im Fall einer Aquaponik aber wird das Nitrat und auch andere pflanzenverfügbaren Düngestoffen von den Nutzpflanzen im System aufgenommen und zum Biomasseaufbau gebunden. In der Folge können in aquaponischer Produktion Wasser, Energie und Düngemittel eingespart werden.

Aufwuchskörper im Aquponik-Becken; Bild: Hochschule Hof;

Das Problem bisher aber ist: Die notwendigen Aufwuchskörper bestehen heute noch aus herkömmlichem, also erdölbasierten Kunststoffen. Hauptziel des Projektes „BioBioCarrier“ sei deshalb nun die Produktion von biologisch abbaubaren Aufwuchskörpern aus Biopolymeren für eine biologische Wasseraufbereitung ganz ohne Mikroplastik.

Dauerhafter Düngungseffekt

Doch nicht nur die für den Organismus schädlichen Kunststoffpartikel sollen so künftig vermieden werden. Mit der langsamen Zersetzung der biologisch abbaubaren Aufwuchskörper geht noch ein weiterer Positiveffekt einher:

Zerfallen die Aufwuchskörper, werden im Rahmen des Abbauprozesses durchgehend essentielle Pflanzennährstoffe ans Wasser freigegeben, die von den kultivierten Nutzpflanzen für das Wachstum benötigt werden. Es kommt also zu einer automatischen Düngung. Im Ergebnis müsste kein oder wesentlich weniger Düngemittel manuell zugeführt werden.“

Prof. Dr. Manuela Wimmer

Ein Problem bei der Aquaponik ist bis dato, dass ein Betreiber Expertenwissen im Bereich der Aquakultur und der Pflanzenzucht besitzen muss, um beide Kulturen betreuen und bei Problemen eingreifen zu können. In der Regel besitzen Unternehmer Fachkenntnisse entweder in der Aquakultur oder der Hydroponik. Experten beider Themen sind rar. Im Fall der Aquaponik bedeutet dies zudem, dass Nährstoffkonzentrationen des Wassers manuell bestimmt werden müssen und dann ggfs. nachdosiert werden muss – ein erhöhter Arbeitsaufwand für den Betreiber. Das Projekt zielt mit einer automatisierten Düngerversorgung tatsächlich darauf ab, die bisher dafür notwendige Arbeitszeit zu reduzieren. So können Kosten eingespart und zugleich die Nährstoffversorgung der Pflanzen dauerhaft optimal gewährleistet werden. Grundsätzlich wird auf diese Art der Betrieb und auch die Umstellung zu einer Aquaponik für eine breite Zielgruppe von Aquakultur- und auch Hydroponikunternehmen attraktiver.

Institute der Hochschule Hof arbeiten zusammen

Das Projekt bündelt die Expertisen gleich zweier Institute an der Hochschule Hof und ist damit das erste interinstitutionelle Projekt der Hofer Lehr- und Forschungseinrichtung überhaupt: „Das Institut für angewandte Biopolymerforschung (ibp) und das Institut für Wasser- und Energiemanagement (iwe) werden in diesem Projekt interdisziplinär und fächerübergreifend eine zukunftsweisende Technologie weiterentwickeln. Der Ersatz von erdölbasierten Kunststoffen durch Biokunststoffe fügt sich ideal in die nachhaltige und ressourcenschonende Lebensmittelproduktion durch Aquaponik ein. Die Hochschule Hof stärkt hiermit ihr Profil als Green-Tech-University“, so Hochschulpräsident Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Lehmann. Das Projekt BioBioCarrier wird in Kooperation mit dem Unternehmen Christian Stöhr GmbH & Co. Elektro- u. Kunststoffwaren KG aus Marktrodach umgesetzt und vom Institut für Wasser- und Energiemanagement geleitet.

Institut für Wasser- und Energiemanagement

Das Institut für Wasser-und Energiemanagement (iwe) bearbeitet wissenschaftliche Themen mit dem besonderen Fokus darauf derzeit bestehende Systeme und Abläufe mit Hilfe von innovativen Technologien nachhaltiger und zugleich wirtschaftlicher zu gestalten. Im Bereich der integrierten Aquakultur forscht das iwe besonders im Bereich der angewandten Nachhaltigkeit, welches das Themenfeld der Aquaponik umfasst. Dr. Harvey Harbach ist in diesem Forschungsschwerpunkt Ansprechpartner und bearbeitet die Fragestellungen in diesem Fachbereich. Dies hat auch zur Fragestellung eines Aufwuchskörpers aus Biokunststoff geführt. Es sollen negative Einflussfaktoren ausgeschlossen und positive gewinnbringend genutzt werden. Neben diesem Forschungsprojekt bilden der enge Austausch und die Problemstellungen von regionalen Unternehmen aber auch national und internationaler Unternehmen die Grundlage für die Forschungsprojekte des Forschungsschwerpunktes „integrierte Aquakultur“ an der Green-Tech Hochschule Hof.

Die Themen der ökonomischen Nachhaltigkeit finden sich zudem auch in den anderen Forschungsthemen im Bereich der Aquakultur. Auch das Vorhaben „Innovative Adaption der integrierten Aquakultur in bestehende Fischzuchten“, kurz InnoFisch im Rahmen des Projekts Grüne Technologiewerkstatt Hof, welches vom Europäischen Fond für Regionale Entwicklung mit 1,47 Mio. Euro zu 50% kofinanziert wird, verfolgt das Ziel Forschungsergebnisse anwendungsorientiert umzusetzen. Im Jahr 2021 engagiert sich das iwe zudem auch wieder im Bereich der Umweltbildung. In gleich zwei Bildungsprojekten übernimmt federführend für das iwe Herr Dr. Harvey Harbach die fachliche Ausarbeitung und den Wissenstransfer zu den Vorteilen von Aquaponik.

Institut für angewandte Biopolymerforschung

Die Kernkompetenzen des Instituts für angewandte Biopolymerforschung (ibp) sind der Umgang mit Biokunststoffen, deren Verarbeitung, Einsatzqualifizierung im Rahmen von innovativen Produkten, deren Recycling sowie die Oberflächenfunktionalisierung. Dabei handelt es sich v. a. um tiefgreifende anwendungsbezogene Untersuchungen zu biobasierten und/oder biologisch abbaubaren Produkten. Die Herausforderung und Aufgaben im Rahmen des Projekts BioBioCarrier bestehen in der Herstellung eines definiert stabilen Biokunststoffs mit steuerbaren Abbauverhalten zum Freisetzen der notwendigen Zusatzstoffe im System der Aquaponik.

Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst im Fachmagazin “Der Lebensmittelbrief 5/21”.


Dr. Harvey Harbach
Prof. Dr. Manuela Wimmer
Rainer Krauß

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