Seit Mai 2021 beschäftigt sich die Forschungsgruppe „Wasserinfrastruktur und Digitalisierung“ am Institut für Wasser- und Energiemanagement der Hochschule Hof (iwe) mit einem hochaktuellen Thema: Untersucht werden soll, wie alte, teilweise bis zu 40 Jahre alte Regenmessstationen des Landes NRW ins digitale Zeitalter kommen können, damit Vorhersagen für Regenereignisse präziser werden. Dabei wird einerseits die in Frage kommende Technik moderner Schaltanlagen bewertet. Anderseits ist zu untersuchen, ob die bisherige räumliche Verteilung der Messstationen den zukünftigen Anforderungen an ein exaktes Erfassen der Niederschläge gerecht wird, was besonders für den Umgang mit zunehmenden Starkregenereignissen und Trockenperioden hohe Bedeutung hat.
Neben der Wasserwirtschaft soll z.B. auch die Landwirtschaft von den Forschungsergebnissen profitieren. Die bisherige Datenerfassung und -bearbeitung erlaubt keine Aussagen hinsichtlich des Wasserbedarfs für eine dynamische, den lokalen Gegebenheiten angepasste Nutzung von Landwirtschaftsflächen. Diese ist jedoch notwendig, um die zur Verfügung stehenden Landwirtschaftsflächen bestmöglich zu nutzen und gleichzeitig die Wasserressourcen nachhaltig zu schützen und Schadstoffeinträge in das Grundwasser zu vermeiden.
Die Schaffung der erforderlichen Datengrundlage ist Teil des neuen Projekts “DMeStHyA” (Entwicklung eines digitalen Mess- und Steuerungssystems für hydrometeorologische Anwendungen, anwendungsbezogenes Upscaling mit Praxistest im Feld) mit seiner fast fünfjährigen Laufzeit. Das Kick-Off Meeting fand bereits Ende Mai statt. Projektpartner sind das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz von Nordrhein-Westfalen (LANUV NRW) und die HST Systemtechnik GmbH aus Meschede.
Ausbau des Messnetzes mit neuster Messtechnik
Das hydrometeorologische Messnetz des LANUV NRW besteht bereits aus 300 Messstellen und der Lysimeteranlage in St. Arnold. Lysimeter werden zur Erfassung von Parametern des Wasserkreislaufs und deren Bilanzierung unter standardisierten Bedingungen eingesetzt.
Mit dem Lysimeter werden unter anderem die Sickerwassermenge für die Ermittlung des Grund- und Bodenwasserhaushalts sowie des Stoffhaushalts in Abhängigkeit von Boden, Gestein, Bewuchs, lokalem Klima und anderen Randbedingungen ermittelt. Außerdem dienen die Lysimeterdaten zur Erfassung von Wechselwirkungen und Stofftransporten zwischen der Atmosphäre, den Pflanzen, dem Boden, der Tierwelt und dem Grundwasser. Hierfür sind auch klimatologische Messdaten erforderlich, die am selben Standort aufgezeichnet werden.
Das Messnetz liefert nicht nur die Daten für den Hochwasserinformationsdienst, sondern hat auch Potential für die Erfassung von Grundlagendaten, die die Bilanzierung und Bewertung des Nitrateintrags durch die Landwirtschaft ins Grundwasser und damit ein nachhaltiges Nitratmanagement ermöglichen. Die gewonnenen Daten sollen in ein cloudbasiertes Entscheidungsmanagementsystem überführt und dort Behörden, Landwirten und sonstigen Entscheidungsträgern zur Verfügung gestellt werden.
Die Lysimeteranlage in St. Arnold – etwas ganz Besonderes
Ziel von “DMeStHyA” ist einerseits die Standardisierung des Aufbaus und Betriebs der hydrometeorologischen Messstellen. Zunächst erfolgt die digitale Ausstattung des Messnetzes mit neuster Messtechnik durch HST. Die Lysimeteranlage in St. Arnold soll zur Klimareferenzstelle nach den Standards des Deutschen Wetterdienstes (DWD) ausgebaut werden.
Die Lysimeteranlage in St. Arnold ist etwas ganz Besonderes: Es erfolgt nicht nur eine nahezu lückenlose Datenerfassung seit 60 Jahren, eine solche Lysimeteranlage in vergleichbarer Größe gibt es nur sechs Stück weltweit. Davon sind zwei in Deutschland, die restlichen in den USA und Kanada zu finden.
Prof. Günter Müller-Czygan, Forschungsgruppenleiter
Die Lysimeterdaten dienen im Projekt dem Aufbau und der Verifizierung von Modellen mit künstlicher Intelligenz (KI). Andererseits sollen die gewonnenen Daten direkt am Sensor abgegriffen werden und durch die Generierung einer Schnittstelle per SDI12-Übertragung in eine Cloud überführt werden, um die digitale Datenerfassung und deren Bereitstellung zu optimieren. Dies stellt eine erste Prototypentwicklung dar. Dafür ist die Entwicklung eines Konzepts zu Design und Ausstattung der Messstellen sowie des gesamten Messnetzes notwendig. Das Potential des Upscalings auf andere Messnetze wird dann in einem nächsten Schritt abgeschätzt sowie die mögliche Einbindung weiterer Messnetze. Alle durchgeführten Arbeiten werden zur Dokumentation in ein digitales Betriebssystem überführt.
Das iwe ist mittendrin
Die Forschungsgruppe Wasserinfrastruktur und Digitalisierung übernimmt in “DMeStHyA” einerseits die wissenschaftliche Begleitung. Diese beinhaltet unter anderem die Evaluation und ökonomische Bewertung von Digitalisierungsstandards, die Evaluation der Messnetzdichte und die Datenplausibilisierung sowie Analyse von organisationsbezogenen Effizienzgewinnen als Folge der Digitalisierung. Andererseits gehört auch die Berichtserstellung und der Wissenstransfer aus weiteren F&E-Vorhaben, die Organisation der quartalsmäßigen Statusmeetings inklusive Protokollierung sowie die Erstellung jährlicher Zwischenberichte zu den Projektaufgaben.