Vor 30 Jahren wurde die Drehbogentechnik des Hamburger Ingenieurs Günter Kupczik erstmals im Dresdner Kanalsystem installiert. Nun wird diese einzigartige Lösung für ein intelligentes Kanalmanagement im Forschungsprojekt “Drehbogen 4.0” an der Hochschule Hof weiterentwickelt. Ziel ist es, die Technik mit digitalen Elementen zu optimieren und sie als klimaresiliente Lösung für moderne Abwassersysteme nutzbar zu machen.

Bild: Hochschule Hof;
Die Drehbogentechnik ermöglicht ein verbessertes Volumenmanagement bei Starkregenereignissen und eine automatische Kanalreinigung ohne Personaleinsatz. Die spezielle Bogenkonstruktion mit Torsionskompensator erlaubt es dabei, Wasser im Kanal gezielt aufzustauen und kontrolliert abzulassen, sodass Ablagerungen durch die erzeugte Wellenenergie entfernt und direkt zur Kläranlage transportiert werden. Bis heute stellt der Drehbogen zusammen mit dem sogenannten ASA-Wehr eine der wenigen Möglichkeiten dar, ein intelligentes Kanalmanagement ohne Einschränkung des Durchflussquerschnitts umzusetzen. Und er bleibt weiterhin die einzige Technik mit der maximalen Ausnutzung von Speicherpotenzial in einem Kanal.
Von der Sielwolfanlage zum Drehbogen
In den 1980er Jahren entwickelte Günter Kupczik die “Sielwolfanlage” zur Reinigung großer Kanalrohre in Hamburg. Die aufwendige Entsorgung der dabei geborgenen Ablagerungen führte zur Suche nach einer effizienteren Lösung. Daraus entstand der Drehbogen, der 1994 in Dresden erstmals in Betrieb ging. Obwohl die Technologie bisher nur einmal umgesetzt wurde, steigt der Bedarf an innovativen Kanalmanagementlösungen, insbesondere durch neue EU-Vorgaben zur Reduzierung von ungefiltertem Abwasseraustritt. Der Vorteil: Mit modernen Digitalisierungsmöglichkeiten lassen sich die Potenziale der Drehbogentechnik heute effektiver nutzen.
Forschungsprojekt “Drehbogen 4.0”
Unter der Leitung von Prof. Günter Müller-Czygan untersucht die Forschungsgruppe „Wasserinfrastruktur und Digitalisierung“ am Institut für nachhaltige Wassersysteme der Hochschule Hof (inwa) zusammen mit der HST Systemtechnik GmbH & Co. KG die Skalierbarkeit und Weiterentwicklung des Drehbogens. Imam Burhani, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, führt dazu im Rahmen seiner Promotion an der Universität Duisburg-Essen Simulationen und Berechnungen durch.
Zusammenarbeit mit dem Erfinder
Beim Arbeitstreffen am 27. Januar 2025 in Dresden tauschten sich Prof. Günter Müller-Czygan und Drehbogenerfinder Günter Kupczik über den aktuellen Stand der Forschung aus. Kupczik brachte wertvolle Einblicke aus seiner jahrzehntelangen Erfahrung ein.
“Ich bin glücklich, dass wir die Drehbogen-Technik gemeinsam weiterentwickeln können.”
Günter Kupczik, Ingenieur

Einbindung in die klimaresiliente Wasserinfrastruktur
Das Projekt “Drehbogen 4.0” ist Teil des Forschungsschwerpunkts “Klimaresiliente Wasserinfrastrukturen” am Institut für nachhaltige Wassersysteme (inwa). Die Forschenden arbeiten an Lösungen zur Anpassung wasserwirtschaftlicher Infrastrukturen an extreme Wetterereignisse. Prof. Müller-Czygan fasst zusammen:
“Es ist uns eine Freude und Ehre, diese innovative Technik weiterzuentwickeln und mit modernen IT-Elementen in zukunftsfähige Abwassersysteme zu integrieren.”
Prof. Günter Müller-Czygan