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Im Auftrag der Gesundheit: Truck der Digitalisierung legt 9000 km zurück

Mit rund 450.000 Beschäftigten ist die Sozialwirtschaft einer der bedeutendsten Wirtschaftsfaktoren in Bayern. Die Messe ConSozial, die nach eigenen Angaben „die führende KongressMesse der Branche“ im deutschsprachigen Raum ist, fand im Dezember in Nürnberg statt. Das Forschungsteam rund um Professor Dietmar Wolff, Vizepräsident Lehre und gleichzeitig Leiter der Forschungsgruppe „Innovative Gesundheitsversorgung“ nahm mit dem Truck für Digitalisierung (TruDi) an der Veranstaltung teil. TruDi ist ein mobiler Showroom, der rund 60 digitale und KI gestützte Technologien für Pflegekräfte, pädagogische Fachkräfte sowie Sozialberaterinnen und Sozialberater an Bord hat, so u.a.  Exoskelette, VR-Brillen, eine Vorlese-Eule und diverse Roboter. Wir sprachen mit Désirée Neeb, die zum Forschungsteam gehört.

Ein kleines TruDi-“Klassentreffen” auf der ConSozial in Nürnberg (v.l.): Lea Bergmann, Désirée Neeb, Sabine Reichert, Nadine Reussel-Distler, Yvonne Großmann und Damian Kutzias; Bild: Hochschule Hof;

Liebe Frau Neeb, was war der Anlass für Sie an der Messe teilzunehmen?

“Es gab zwei gute Gründe: Zum einen ist die ConSozial eine Messe, auf der sich TruDi’s Hauptzielgruppen jährlich tummeln. Wir kommen also mit Fach- und Führungskräften des Sozial- und Gesundheitswesens direkt in Kontakt und können unser Projekt vorstellen: Wir fördern das „gesund arbeiten“ mit Hilfe von Technologien, z.B. mit TruDi, aber auch durch eine KI optimierte Dienstplangestaltung oder einen online Campus. Darüber hinaus gibt es auf der ConSozial auch einen Innovationspark, auf dem sich ca. 40 junge Unternehmen mit innovativen und kreativen Technologien vorstellen.

Da wir immer auf der Suche nach guten technischen Lösungen für unsere Zielgruppen sind, ist die ConSozial sozusagen unser Süßigkeitenladen, in dem wir uns durch die verschiedenen Angebote kosten können.”

Désirée Neeb, Forschungsgruppe Innovative Gesundheitsversorgung

Zum anderen haben wir hier auch ein kleines Abschlusstreffen mit unseren Projektpartnern gefeiert. Manche hatten wir tatsächlich noch gar nicht „live und in Farbe“ gesehen. Das war wirklich nochmal sehr schön.”

Sie sind auch mit zwei Vorträgen dabei gewesen. Um was ging es da genau?

“Stimmt. Professor Dietmar Wolff und Projektleiter Sven Bartel von der Diakonie Baden haben einen Vortrag zum Thema „Gesundes Arbeiten mit Künstlicher Intelligenz“ gehalten. Dabei ging es v.a. darum, die Projektergebnisse von „pulsnetz.de – gesund arbeiten“ (pulsnetz KI) zu präsentieren. Dass wir danach von den Vortragszuhörern überrannt wurden, spricht – glaube ich –  für sich.

Das Projektteam um Prof. Dr.-Ing. Dietmar Wolff im Gespräch mit Technologiepartner Theda Ockenga (Rücken zur Kamera) von „StellDirVor“; Bild: Hochschule Hof;

Der zweite Vortrag drehte sich um „Einbindung der Pflege in die Telematikinfrastruktur: aktueller Stand, Herausforderung und Diskussion“.  Ein Thema, das uns auch in unseren TruDi-Workshops immer wieder begegnet ist. Professor Helmut Kreidenweis und Professor Dietmar Wolff haben diesen Vortrag als Teil ihrer Aktivitäten im Fachverband Informationstechnologie in Sozialwirtschaft und Sozialverwaltung (kurz „FINSOZ e.V.“) und als pulsnetz-Projektpartner gehalten.”

Wenn Sie die letzten beiden Jahre mit vielen Workshops in Bayern und auch mit den beiden anderen Trucks in NRW, Baden-Württemberg und Berlin Revue passieren lassen: Was sind die wichtigsten Erkenntnisse, die sich aus dem Digitalisierungstruck ergeben haben? Welche Anwendungsszenarien haben sich als die besten herausgestellt? Gab es auch Kritik?

“Ich kann natürlich in erster Linie für die bayerische TruDi sprechen. Aber ich denke auch über das Gesamtprojekt hinweg hat sich gezeigt, dass die Bandbreite des Digitalisierungsstands in den unterschiedlichen Einrichtungen sehr groß ist.

Manche arbeiten routiniert mit einer digitalen Pflegedokumentation, mit Smartphones und Tablets. Andere kämpfen immer noch mit einer stabilen Internetverbindung.”

Désirée Neeb

Wir haben also recht schnell gemerkt, dass es keinen Workshop à la „one-size-fits-all“ geben kann. Und das war ja auch nicht unser Ansatz. Das individuelle Eingehen auf die Workshopteilnehmer und dabei ihre Vorbehalte ernst zu nehmen, war entscheidend.

Désirée Neeb stellt Messebesuchern VR-Brillen vor; Bild: Hochschule Hof;

Es ist schwer eine Auswahl an Technologien oder ein Anwendungsszenarium zu benennen, die besonders gut ankamen, denn – und hier wiederhole ich mich – jede Einrichtung hat andere Bedürfnisse und Prioritäten. Aber es gab Themen, die alle interessiert haben, z.B.: Exoskelette für eine bessere Haltung und Entlastung, eine Sprachdokumentation mit KI, die Zeit bei der Bürokratie einspart und so mehr Zeit für den Menschen schafft, sowie VR-Brillen. Letztere bringen Entlastung, aber auch neue Fort- und Weiterbildungsformate.

Kritik? Die gab es natürlich auch – aber mehr an der Gesamtsituation des Gesundheitswesens oder der angespannten Personallage. Und ich weiß nicht, ob ein fehlender Grill oder eine Cocktailbar als ernsthafte Kritik an TruDi gewertet werden kann.”

Das ist ziemlich beeindruckend und ein großer Erfolg. Wie geht es jetzt mit Trudi weiter?

“Wir schicken TruDi erst einmal in ihr Winterquartier – bei den Temperaturen wird es allmählich auch schwierig Exoskelette oder VR-Brillen ohne zu bibbern auszuprobieren. Das Projekt „pulsnetz.de – gesund arbeiten“ (pulsnetz KI) geht mit dem 31.12.2022 erstmal zu Ende. Aber die große Nachfrage an TruDi und der Gesamtthematik hat gezeigt, dass es unbedingt weitergehen muss. Und daran haben wir in diesem Jahr auch schon viel gearbeitet und wir sind optimistisch, dass es im neuen Jahr weitergehen kann. Ein paar gedrückte Daumen mehr, können aber sicherlich nicht schaden.”

Yvonne Großmann erklärt die Möglichkeiten rund um TruDi-Workshops an Einrichtungsvertreter; Bild: Hochschule Hof;

Haben Sie auch ein paar Zahlen für uns: Wie viele km ist TruDi gefahren und wie viele Sozialeinrichtungen wurden in den letzten zwei Jahren besucht? Wie viele Sozialkräfte konnten von Ihren Präsentationen und Vorführungen profitieren?

“Ich möchte kurz vorweg schicken, dass es natürlich noch viel mehr Erkenntnisse, Erfahrungen und Ergebnisse gegeben hat, die ich hier gar nicht aufzählen kann. Also gerne mal auf unserer Projektwebseite vorbeischauen!

Alle TruDis gemeinsam haben eine Strecke von knapp 25.000 km zurückgelegt, davon allein ca. 9000 von der bayerischen TruDi. 24 Einrichtungen mit 1550 Teilnehmern in 305 Workshopstunden wurden von Sophia Giegold, Yvonne Großmann, Dietmar Wolff und mir besucht. Dazu kommen weitere 52 Einrichtungen aus Baden-Württemberg, Berlin und Nordrhein-Westfalen. Darüber hinaus waren wir auf 23 Messen, Infoveranstaltungen, Fachtagen und Festivals. Über 600 Technologien sind in unserer Datenbank zu finden. 60 Technologien waren an Bord von TruDi, wovon 10 im Laufe des Projektes verworfen oder ausgetauscht wurden. 87 Gespräche mit Herstellern wurden geführt. Und vernetzt haben wir uns natürlich auch – 11 neue Kooperationen sind entstanden.

Wie groß sich unser Erfahrungs- und Wissenshorizont erweitert hat, können wir als Forschungsgruppe „Innovative Gesundheitsversorgung“ zwar nicht mit Zahlen belegen. Aber wir sind alle schlauer aus dem Projekt hinausgegangen als wir hereingekommen sind.”

Vielen Dank für das Gespräch!


Anne-Christine Habbel

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