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„Mein Wunschdenken ist: Der Krieg soll enden“ – Diskussion beim 7. Europa-Forum

Mit rund 170 Teilnehmer:innen war das 7. Europa-Forum das bestbesuchte Europa-Forum bisher. Mit der Themenauswahl bewies Organisator Prof. Peter Schäfer eine gute Hand. Der Titel „Friedenssicherung in Europa und Kalter Krieg 2.0? “ ließ ein spannendes Podium zusammenkommen.

Die Vortragenden des diesjährigen Europaforums: Prof. Dr. Peter Schäfer (Begründer und Organisator), Prof. Dr.Ing. Valentin Plenk (Vizepräsident Hochschule Hof), Dr. Renke Deckarm (Pressesprecher EU-Kommission in München), Prof. Gabriele Krone-Schmalz und Moderator Matthias Will; Bild: Hochschule Hof;

Die Begrüßung von Valentin Plenk, Vizepräsident Forschung und Entwicklung, bot als Einstieg einen Überblick über die Verbindung von Hochschule und EU: 7 Millionen Euro flossen bisher aus EU-Töpfen in die Forschung der vier Institute. Zusätzlich sind rund vier Millionen Euro für das Erasmus+-Austauschprogramm geflossen. Und natürlich sind auch noch neue Projekte zu nennen, die – gespeist aus dem Europäischen Sozialfonds – Wissen aus der Hochschule in die Region vermitteln (“campuls-digital” berichtete).

„Man kann nicht sagen, dass die EU für uns weit weg wäre!“

Prof. Dr.-Ing. Valentin Plenk, Vizepräsident Forschung & Entwicklung der Hochschule Hof

Dann ging es zum Thema über: „Bisher habe ich unser Europa-Forum mit Themen wie Roaming und den Vorteilen der SEPA-Überweisung eingeleitet“, sagte der Vizepräsident. Beim diesjährigen Forum dagegen ginge es um einen Krieg und darum, wie das Überleben von Menschen erreicht werden kann.

Prof. Dr.-Ing. Valentin Plenk bei seiner Hinführung zum Thema; Bild: Hochschule Hof;

Als Ort der Diskussion und des Transfers, der die Hochschule ist, führte der Abend vier Perspektiven zum Ukrainekrieg an:

Brigadegeneral Dr. Christian Freuding, Leiter des Krisenstabs Ukraine im Bundesverteidigungsministerium, schaltete sich online zu und brachte Einblicke in die militärische Sichtweise mit. Gleichzeitig beantwortete er interessierte Fragen: In der Ukraine sind täglich 3.000 Soldatinnen und Soldaten unterwegs. Deutschland liefere gemeinsam mit anderen EU-Partnern Ausrüstung wie Fahrzeuge und Kommunikationsmittel sowie Trainingseinheiten für die ukrainische Armee: Neben dem „Stahl über die Grenze zu schieben“ gebe es auch die moralische Pflicht, Soldatinnen und Soldaten auszubilden. Zudem existiere die zivile Mission, politische Beratung zu leisten, um Standards zu erreichen, die einen EU-Beitritt möglich machen würden.

Man nehme Putin sehr ernst, was aber nicht zu einer Lähmung führen dürfe, so der General weiter. Einen Atomkrieg schätzte er als unwahrscheinlich ein. Auf die Frage, ob eine diplomatische Lösung nicht besser sei als den Krieg länger andauern zu lassen, sagte der Referent, dass der Krieg sofort beendet sein könne, wenn Russland seine Streitkräfte vom Territorium der Ukraine zurückziehe. Und die EU? Kann sie ihren Zielen gerecht werden?

Einheitlichkeit und Entschlossenheit sind so manifest wie noch nie.”

Brigadegeneral Dr. Christian Freuding

Politischer Wille sei zur Unterstützung der Ukraine nötig und in der gesamten Geschichte der EU habe es noch nie eine Einheit wie jetzt gegeben. Auf die abschließende Frage nach der Zukunft und ob Russland sich vielleicht bald zurückziehen werde, antwortete er: „Mein Wunschdenken ist: Der Krieg soll enden, aber im Moment ist nicht davon auszugehen.“

War dem Europaforum live zugeschaltet: Brigadegeneral Dr. Christian Freuding; Bild: Hochschule Hof;

Professor Dr. Peter Schäfer, Begründer der Europa-Forums, brachte die historische Perspektive auf das Verständnis des Friedensauftrags der EU mit: „Ein voller Bauch schießt nicht“, leitete er seinen Überblick ein. Frieden durch Wohlstand und Zusammenarbeit seien eine der Leistungen der EU, die in den abstrakten und den konkreten Bereichen des Bürgeralltags greife: Antidiskriminierung etwa, die als soziale Friedenspolitik verstanden werden kann, Wasserstoff als geförderte Energiequelle bis hin zu vereinheitlichten Ladekabeln, so Peter Schäfer.

Der Angriffskrieg auf die Ukraine im Februar 2022 habe nun die Perspektive verändert: „Absolute Sicherheit gibt es nicht“, sagte der Professor für EU-Recht – doch was könne die EU nun konkret tun? Sie könne neue Kommandostrukturen aufbauen, wie etwa einen Generalstab in Brüssel einrichten. Man könne im militärischen Bereich weiter multinationale Einheiten bilden, ein gemeinsames Beschaffungswesen aufbauen und nicht zuletzt die Energie-Autarkie Europas anstreben – etwa durch eine Verbreiterung der Lieferketten.

Vortrag von Prof. Dr. Peter Schäfer. Quelle: Hochschule Hof

Auf Peter Schäfer folgte der Pressesprecher der EU-Komission in München, Dr. Renke Deckarm. Seine Einschätzung: Der Krieg in der Ukraine sei kein regionaler Konflikt, aus dem sich die EU heraushalten könne, da der Krieg zwar in der Ukraine gekämpft werde, dahinter aber die Werte der EU umkämpft würden. Konkret nannte er Menschenrechte, Demokratie, Freiheit, und Gleichheit. Ab Tag eins habe die EU die volle Unterstützung für die Ukraine in Form von Haushaltsmitteln für die Aufnahme von Geflüchteten und Waffenlieferungen geleistet.

Des Weiteren sei eine subtilere Waffe im Krieg das Wort. Im Informationskrieg gäbe es einige gängige Narrative, auf die der Pressesprecher detailliert einging:

  • Die Ukraine selbst bzw. der Westen sei Verursacher(in) des Angriffs. Westliche Eliten steuerten die Ukraine und umzingelten Russland geopolitisch. Das Gegenargument: Es handelt sich um eine Täter-Opfer-Umkehr, welche die freien Wahlen und politische Erfolge in der Ukraine ignoriere.
  • Denazifizierung: Ein nur am Anfang des Kriegs von Putin verwendete Rechtfertigung: Ukrainische Institutionen und die Gesellschaft seien durchsetzt von Nationalisten. Der Kern dieser Behauptung ist das Regiment Asow, das als Freiwilligenbataillon aus Angehörigen rechtsextremer Gruppen besteht und die Tatsache, das auch Rechtsextreme an den Maidan-Protesten beteiligt waren.
  • Sanktionen träfen Europa härter als Russland: Die Sanktionen der EU seien laut Deckarm aber so angelegt, dass sie Russland wirtschaftlich härter träfen als die EU-Staaten. Offizielle Zahlen aus Russland zum Abgleich gibt es nicht.
  • Die Lebensmittelknappheit durch ausgefallende Getreidelieferungen nach Afrika läge an einer absichtlichen Verknappung seitens der Ukraine. Dies sei schlicht falsch.

Zum Schluss folgte die Empfehlung der Plattform EU vs DIsinfo. In der Diskussionsrunde mit dem Publikum betonte Dr. Deckarm die freie Entscheidungsmöglichkeit der Ukraine, ihre Bündnisse zu wählen.

Dr. Renke Deckarm, Sprecher der EU-Kommisssion. Quelle: Hochschule Hof;

Als letzte Referentin kam Professorin Gabriele Krone-Schmalz auf die Bühne und brachte ihre Perspektive auf Russland mit.

„Wir befinden uns in einer neuen Eiszeit, die ich nie so vermutet hätte“, stieg sie ein und leitete gemäß dem Ansatz, die Gegenwart mit Blick auf die Vergangenheit zu verstehen, zu einer Rekapitulation ihrer bisherigen Position über, wonach die Drohkulisse an den Grenzen Russlands zu einem Angriff geführt hätte. Der Angriff aber widerspräche russischen Interessen, sowohl politisch als auch wirtschaftlich. Die beliebte Erklärung, dass Putin krank oder verrückt sei, erscheine ihr als Erklärungsmuster zu eindimensional.

Stattdessen bot sie einen Blick auf die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen in Russland in den letzten Jahrzehnten: Vom Konfrontationsdenken zum Dach einer an die Veränderungen angepassten europäischen Sicherheitsarchitektur. Der Beitritt vieler ehemaliger Ostblockstaaten zur NATO wurde angetrieben durch Erfahrungen und Befürchtungen aus Sowjetzeitzeiten und habe die Orientierung des Verteidigungsbündnisses antirussischer ausgerichtet, etwa über Raketenstützpunkte in Polen und Rumänien. Dies habe beim Ausrichten der Ukraine nach Westen eine russische Schmerzgrenze erreicht. Gabriele Krone-Schmalz ergänzte vergangene Aussagen und Standpunkte, beispielsweise wonach der ukrainische Präsident Selenskyj sich noch Anfang 2022 eine neutral ausgerichtete Ukraine vorstellen konnte. Die russische Doppelstrategie aus Abschreckung und Dialog anstatt Sicherheit und Entspannung, argumentierte die Journalistin, sei aus Schwäche und Furcht heraus entstanden, nicht aus Stärke.

Vortrag von Prof. Gabriele Krone-Schmalz. Quelle: Hochschule Hof;

Prof. Dr. Peter Schäfer, Begründer des Europaforums, zeigte sich im Nachgang sehr zufrieden mit der Veranstaltung:

„Ich freue mich sehr, dass das Thema des diesjährigen Forums sich als so bürgernah erwiesen hat. Veranstaltungen wie unser Europa-Forum besitzen auch eine Ventilfunktion, gerade in unsicheren Zeiten: die Bürger- und Zuhörerschaft soll einmal `Dampf ablassen können´.”

Prof. Dr. Peter Schäfer, Professor für EU-Recht
Im Nachgang zu ihren Vorträgen stellten sich die Referentinnen und Referenten in einer Gesprächsrunde einer lebhaften Diskussion; Bild: Hochschule Hof;

Auch Moderator Matthias Will, der souverän durch die Gesprächsrunde führte, schloss sich diesem Fazit an:

Der Abend hat mich angesichts der hochkarätigen Besetzung und der überwältigenden Resonanz sehr gefreut. Eine außergewöhnliche und denkwürdige Veranstaltung für alle!“

Matthias Will, Moderator


Katrin Müller

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