Der Startschuss für die CONTACTA HochFranken fällt traditionell am Vortag der Messeeröffnung mit der regionalen Lehrerfortbildung im Audimax der Hochschule Hof. Prof. Dr. med. Michael Frey, Professor für Biopsychosoziale Medizin, referiert am heutigen Dienstag, 24.09.2024, ab 16.00 Uhr über „Psychische Auffälligkeiten bei Jugendlichen in Schule und Ausbildung“. In einer Zeit, in der psychische Gesundheit zunehmend in den Fokus rückt, gibt Prof. Frey wertvolle Einblicke in die Ursachen, Symptome und Hilfsangebote für Jugendliche, die mit psychischen Herausforderungen konfrontiert sind.
In unserem Interview spricht Prof. Frey im Vorfeld über die wichtigsten Inhalte seines Vortrags, warum dieses Thema heute so relevant ist und wie Lehrer, Eltern und Ausbilder gezielt Unterstützung leisten können.
Könnten Sie uns zunächst einen kurzen Überblick darüber geben, warum psychische Auffälligkeiten bei Jugendlichen in den letzten Jahren stärker in den Fokus gerückt sind?
Eine entscheidende Rolle hat sicher die Covid-19 Pandemie gespielt. Hier wurde deutlich, dass insbesondere auch Kinder und Jugendliche unter den notwendigen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung gelitten haben. Die deutliche Zunahme bestimmter psychischer Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen in dieser Zeit hat den Fokus der Öffentlichkeit darauf gerichtet.
Welche psychischen Auffälligkeiten treten Ihrer Erfahrung nach bei Jugendlichen am häufigsten auf? Gibt es bestimmte Krankheitsbilder, die besonders zunehmen?
In der kinder- und jugendpsychiatrischen und -psychotherapeutischen Versorgung spielen neben ADHS vor allem Angststörungen und Depressionen eine Rolle. Die letzten beiden haben im Vergleich zu vor der Pandemie auch am meisten zugenommen; übrigens nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern.
Welche Faktoren tragen Ihrer Meinung nach am meisten zur Entwicklung solcher Auffälligkeiten bei Jugendlichen bei? Spielen soziale Medien, schulischer Druck oder familiäre Probleme eine größere Rolle?
Die Entstehung psychischer Erkrankungen ist in der Regel multifaktoriell, also durch zahlreiche Einflussfaktoren bedingt. Dabei spielen eine mögliche Veranlagung ebenso eine Rolle wie Umweltfaktoren, z.B. familiäre Verhältnisse, und akute Stressoren. Soziale Medien und Schule können sowohl stützend und hilfreich sein als auch zu Belastungsfaktoren werden. Besonders sensibel reagieren Kinder und Jugendliche auf soziale Probleme, soziale Ausgrenzung und Konflikte im sozialen Umfeld.
Woran können Lehrer, Eltern oder Freunde psychische Auffälligkeiten erkennen? Gibt es Frühwarnzeichen, die oft übersehen werden?
Kinder und Jugendliche, die störendes Verhalten zeigen, z.B. im Rahmen einer ADHS oder einer Störung des Sozialverhaltens bekommen in der Regel früher Hilfe. Die von Ängsten und Depressionen Betroffenen jedoch oft erst mit langer Verzögerung. Sie fallen nicht auf, ziehen sich zurück, muten sich und ihre Probleme niemandem zu. Wenn derartige Verhaltensänderungen zu beobachten sind, ist es lohnenswert, die Betroffenen darauf anzusprechen und nachzufragen.
Welche Rolle spielen Lehrer bei der Erkennung und Unterstützung von Schülern mit psychischen Auffälligkeiten? Wo sind ihrer Meinung nach die Grenzen des schulischen Einflusses?
Schule und Lehrkräfte haben einen ganz wesentlichen Einfluss. Das haben wir auch während der Pandemie gesehen. In dieser Zeit fiel die Schule zeitweise weg und die damit verbundenen Lern- und Übungsfelder z.B. auch für die soziale Interaktion. Damit wurde noch mal deutlich, wie wichtig die Schule neben der Vermittlung von Wissensinhalten auch für die Förderung der psychosozialen Entwicklung ist. Schule kann einen wesentlichen Beitrag zur Prävention und zur Förderung psychischer Gesundheit leisten.
Lehrkräfte beklagen aktuell jedoch zurecht, dass sie häufig mit psychischen Problemlagen ihrer Schülerinnen und Schüler konfrontiert sind, die ihre Zuständigkeit überschreiten und häufig zum Gefühl der Überforderung führen. Damit fällt der Mangel an zeitnaher kinder- und jugendpsychiatrischer und -psychotherapeutischer Versorgung letztlich auf die Schule zurück.
Welche Maßnahmen können Schulen oder auch das Gesundheitssystem ergreifen, um psychische Auffälligkeiten frühzeitig zu erkennen und zu behandeln?
Der wichtigste Ansatz ist Prävention, gerade bei Kindern und Jugendlichen. Dabei sind Maßnahmen, die allgemein gesundheitsfördernd sind z.B. gesunde Ernährung, Bewegung, ausreichend Schlaf und soziales Eingebundensein ebenso ein Beitrag für die psychische Gesundheit, das ist gut durch Studien belegt. Darüber hinaus sind Wissensvermittlung zu psychischen Erkrankungen und damit einhergehend Entstigmatisierung entscheidend.
Wie sehen Sie die Entwicklung in den nächsten Jahren? Erwarten Sie, dass psychische Auffälligkeiten bei Jugendlichen weiterhin zunehmen werden? Was kann langfristig getan werden, um dem entgegenzuwirken?
Eine Zunahme insbesondere depressiver Erkrankungen war bereits auch vor der Pandemie zu beobachten und das wird sich vermutlich auch weiterhin so fortsetzen; übrigens auch bei Erwachsenen. Die Ursachen dafür sind nicht geklärt, sind aber mit Sicherheit auch in unserem Lebensstil zu suchen. Als Gesellschaft müssen wir aus ethischen, ökonomischen und versorgungspolitischen Gründen ganz klar den Fokus auf Prävention legen.
Wir bedanken uns bei Prof. Dr. Frey für das Gespräch!