Das EXIST-Gründerstipendium unterstützt Studierende, Absolventinnen und Absolventen sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, die ihre Gründungsidee realisieren und in einen Businessplan umsetzen möchten. Bei den Gründungsvorhaben sollte es sich um innovative technologieorientierte oder wissensbasierte Projekte mit signifikanten Alleinstellungsmerkmalen und guten wirtschaftlichen Erfolgsaussichten handeln. Ein Beispiel hierfür sind an der Hochschule Hof die “Businettes”. Prof. Dr. Michael Seidel hat sich mit Ihnen unterhalten.
Lasst uns einmal ganz am Anfang beginnen: Wie seid Ihr auf das EXIST-Gründerstipendium aufmerksam geworden?
Wir hatten in der Vergangenheit bereits über unser Netzwerk von Exist gehört, dachten aber, dieses Stipendium sei wirklich nur für Rocket Science Themen im Ingenieursbereich reserviert, weshalb wir es uns nicht weiter angesehen hatten. So richtig aufmerksam darauf geworden, sind wir dann nach einem Gespräch mit den Berliner Gründerinnen von “Equalista”, die eine Gender Equality App entwickelt haben und von Exist gefördert wurden.
Wir waren positiv überrascht, dass eine Onlineplattform oder in deren Fall eine App mit innovativem Ansatz und social Impact – also ähnlich wie unser Vorhaben – gefördert wurde. Die Gründerinnen haben uns dann in einem Gespräch Anfang 2020 dazu ermuntert, uns auch für Exist zu bewerben – was wir dann tatsächlich kurz darauf auch getan haben.
Man kann sich für die Beantragung für viele Gründernetzwerke deutschlandweit entscheiden. Welche Faktoren des Startup-Ökosystems haben Euch bewogen, es hier in Hof zu tun?
Uns war es von vornherein wichtig, mit einer Hochschule zu kooperieren, die Erfahrungen mit der Antragstellung von EXIST-Gründerstipendien hat und außerdem digital gut aufgestellt ist. Die Hochschule sollte also inhaltlich zu uns passen – immerhin handelt es sich bei Businettes um ein digitales Produkt.
Nach einer intensiven Recherche erschien uns die Hochschule Hof mit ihren zahlreichen digitalen Studiengängen und den positiven Erstgesprächen mit unseren Mentoren Prof. Dr. Andreas Wagener und Prof. Dr. Michael Seidel als ideale Einrichtung für die Betreuung unseres EXIST Antrags.
Team “Businettes”
Darüber hinaus ist das Ökosystem des angebundenen Gründerzentrums Einstein 1 der Hochschule Hof ein weiterer ausschlaggebender Punkt, der uns in unserer Entscheidung bekräftigt hat.
Viele Studien zeigen einen unterdurchschnittlichen Anteil von Gründerinnen an den gesamten Startups, meist etwa ein Drittel. Ihr wollt das ändern. Gebt uns mal Einblicke in Euer Geschäftsmodell und zeigt, wo Ihr ansetzen wollt...
Das ist richtig. Die Anzahl weiblicher Gründerinnen im Startup-Ökosystem liegt europaweit bei maximal 15%. Wir möchten dazu beitragen, die Wirtschaft dahingehend zu diversifizieren und mehr Frauen ermutigen zu gründen.
Mit Businettes entwickeln wir dafür eine digitale Pre-Inkubator Plattform, die ein umfassendes, gamifiziertes Gründungs-Training beinhaltet und Frauen dabei helfen soll, aus ihren Gründungsideen einen “pitch perfect” Business Case zu machen. Einer der Hauptgründe, warum Frauen weniger gründen als Männer, ist oft das fehlende Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Um das zu ändern, arbeiten wir mit psychologisch fundierten Methoden zur Steigerung des Selbstbewusstseins unserer Kundinnen.
Darüber hinaus helfen wir ihnen dabei, ihre Business- und Pitch-Skills zu verbessern, indem wir unser Training basierend auf Methoden wie dem Business Model Canvas sowie integrierten Pitch-Trainings stützen.
Außerdem gehen wir strategische Kooperationen ein, um unseren Userinnen die bestmöglichen Perks anzubieten, die ihren Gründer-Alltag erleichtern. Aktuell kooperieren wir schon mit der Baby-Sitter Plattform “MyMary” für angehende Gründerinnen mit Kindern, der Entrepreneur-Benefits Plattform “JoinSecret” für einen vergünstigten Zugang zu Software-Services wie Typeform oder WordPress und Europas günstigstem Co-Working Anbieter “Twostay”.
Im Gegensatz zu anderen (Pre-)Inkubator-Programmen sind bei Businettes auch Solo-Entrepreneure willkommen. Wir wollen die automatisierten Funktionen der Plattform auch preislich so zugänglich wie möglich gestalten: es wird ein Abo ab 15 € monatlich geben.
Gibt es schon einen Prototypen oder etwas zum Anschauen?
Tatsächlich existiert schon ein Prototyp und wir haben unser Vorhaben auch schon mit einem Dutzend Frauen getestet. Allerdings ist unser Prototyp nicht öffentlich. Wir werden das kommende Jahr dazu nutzen, eine erste Version der Plattform zu entwickeln, von dem ihr Euch im Frühling dann hoffentlich selber ein Bild machen könnt. Aktuell könnt ihr gerne schon unsere Webseite besuchen: www.businettes.com
EXIST ist ein sehr attraktives Förderprogramm, aber die Hürden für eine erfolgreiche Förderung sind hoch. Wie lange dauerte bei Euch der Prozess bis zum erfolgreichen Bewilligungsbescheid und welchen Herausforderungen musstet Ihr Euch dabei stellen?
Puh, unsere “Exist-Reise” hatte es ganz schön in sich. Wir haben im April Kontakt zur Hochschule Hof aufgenommen und ab da hat es ca. 8 Monate gedauert, bis wir den finalen Bewilligungsbescheid in den Händen hielten. Von April bis Ende Mai haben wir pausenlos an dem Antrag geschrieben und oft auch alles nochmal umgeworfen. Im August erhielten wir dann die Nachricht, dass unser Antrag Chancen auf eine Bewilligung hat – aber nur, wenn wir beweisen, dass Businettes auch einen wahren technologische Innovationswert besitzt. Wir hatten nicht mal zwei Wochen Zeit, um unseren Antrag nochmal komplett zu überarbeiten und haben dann kurzerhand und in Höchstgeschwindigkeit einen Hackathon in München auf die Beine gestellt, um zusammen mit vielen klugen Tech-Köpfen Businettes weiter zu “technifizieren”.
Der Aufwand hat sich gelohnt: einige Wochen später erhielten wir die Nachricht, dass unser Antrag genehmigt wurde. Bis dann alles Administrative geklärt war, hat es nochmal einige Wochen bis Ende November gedauert. Seit Anfang Dezember haben wir nun den Bewilligungsbescheid nun aber schwarz auf weiß – endlich!
Was würdet Ihr Gründerinnen und Gründern mit auf den Weg geben, die ebenfalls mit dem Gedanken spielen, ein EXIST-Gründerstipendium zu beantragen?
Exist ist eine wirklich tolle Chance, ein Gründungsvorhaben voranzubringen. Im Gegensatz zu anderen Finanzierungsmöglichkeiten müssen weder Zinsen getilgt noch Anteile abgegeben werden – was eine große Portion (finanzielle) Unabhängigkeit für Gründungsteams mit sich bringt!
Wer sich für Exist bewerben möchte, sollte jedoch auf jeden Fall viel Disziplin und Durchhaltevermögen mitbringen. Oft muss der Antrag mehrmals umgeschrieben werden und ihr werdet auch ab und zu euer Gründungsvorhaben komplett hinterfragen. Aber egal, ob es am Ende zu einer Bewilligung kommt oder nicht, im Laufe des Exist-Antragsprozesses werdet Ihr jede Menge Neues über euer Projekt lernen und auf neue Ideen kommen, die Eurem Gründungsvorhaben nur von Nutzen sein können.