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Optimierung der europäischen Bauwirtschaft: Bauen soll einfacher und digitaler werden

Es war im vergangenen Jahr ein großer Erfolg für Hochschule Hof, den Landkreis Hof und die Landesgewerbeanstalt Bayern (LGA): Zusammen mit neun weiteren Partnern wurden sie für die Durchführung eines wegweisenden Projektes ausgewählt, das digitale Standards für die gesamte europäische Baubranche schaffen soll. Privates und öffentliches Bauen soll damit zukünftig einfacher, schneller und effizienter werden. Technisch umgesetzt werden soll dies auf Basis der europäischen technischen Infrastruktur GAIA-X, welche die Europäische Union in den kommenden Jahren als Alternative zu US-amerikanischen Anbietern wie Microsoft etablieren will.

Freude über ein wegweisendes Projekt: (v.l.) Prof. Dr. Beatrix Weber, Landrat Dr. Oliver Bär, Hochschulpräsident Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Lehmann, Dr. Marcus Achenbach (LGA Hof) und Hans-Peter Trinkl (Vorstand LGA Bayern); Foto: Claudia Sebert;

„GAIA-X ist ein Projekt zum Aufbau einer wettbewerbsfähigen und gleichzeitig vertrauenswürdigen Dateninfrastruktur für Europa. Es wurde 2019 nach dem gemeinsamen Manifest des deutschen und französischen Wirtschaftsministers für eine europäische Industriepolitik für das 21. Jahrhundert vorgestellt und seither immer weiterentwickelt. Es soll mittelfristig helfen, die europäische Datensouveränität und Datenverfügbarkeit zu gewährleisten“, erklärt Prof. Dr. Beatrix Weber, Leiterin der Forschungsgruppe Recht in Nachhaltigkeit, Compliance und IT am Institut für Informationssysteme der Hochschule Hof (iisys). Zusammen mit dem Landkreis Hof als Baugenehmigungsbehörde und der LGA hatte sich die Hochschule Hof mit dem Projekt „iECO: intelligent Empowerment of Construction Industry (Intelligente Stärkung der Bauindustrie)“ im Förderwettbewerb des Bundeswirtschaftsministeriums in einem hochkarätig besetzten Konsortium beworben und war erfolgreich.

Gemeinsame Datenstandards für mehr Produktivität

Das Projekt iECO hat seitdem die Schaffung eines gemeinsamen Datenraums für die europäische Bauwirtschaft zum Ziel. Die Bauindustrie zählt mit rund 2,5 Mio. Beschäftigten und einem Umsatz von 130 Mrd. Euro zwar zu den Schlüsselindustrien der deutschen Wirtschaft, hinkt bei der Digitalisierung aber noch weit hinterher. Hochschulpräsident Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Lehmann betont:

Datensilos, die das effiziente Zusammenspiel in der Wertschöpfungskette erschweren oder verhindern, sind in der Branche noch weit verbreitet. Sie erhöhen den bereits beträchtlichen Abstimmungsaufwand zusätzlich, z.B. wenn Plan- oder Terminänderungen manuell koordiniert werden müssen. Sie verursachen auch teure Leerläufe, etwa wenn das eine Gewerk noch auf das andere warten muss oder es zu unvorhergesehen Engpässen bei Ressourcen, Logistik oder Infrastrukturen kommt.“

Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Lehmann, Hochschulpräsident

Dies führe schließlich dazu, dass die Bauwirtschaft in ihrer Produktivität um bis zu 30 Prozentpunkte hinter anderen Industrien zurückliege. Das Forschungsprojekt iECO hat sich zum Ziel gesetzt, die Produktivität in der Bauwirtschaft um bis zu 10 Prozent zu erhöhen. 

Digitaler Zwilling sorgt für deutliche Beschleunigung

Die bestehende Produktivitätslücke soll mit einem sogenannten „Digitalen Zwilling“ des gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes – d.h. von der Planung bis zur Nutzung – geschlossen werden. Daten aus der Planung, Prüfung, Genehmigung, Errichtung sowie Nutzung eines Gebäudes sollen dem Bauherrn und später dem Eigentümer als digitaler Gebäudepass zur Verfügung stehen.

„Die Daten bilden nicht nur die Planung, sondern den tatsächlichen Stand des Gebäudes ab.“

Dr. Marcus Achenbach, Stellv. Prüfamtsleiter LGA Hof

Mit sogenannten Smart Services können zukünftig dann z.B. Prüf- und Genehmigungsverfahren digital vorbereitet oder Terminpläne mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz teilautomatisiert erstellt und angepasst werden.

Baustellen können in Echtzeit überwacht und dadurch nicht nur Störungen frühzeitig identifiziert, sondern auch die Arbeitssicherheit erhöht werden.”

Hans-Peter Trinkl, Vorstand LGA Bayern

Für den Bauherren ist diese Entwicklung ein großer Vorteil: Der gesamte Bauprozess wird damit schließlich deutlich beschleunigt.

Hochschule zuständig für Data Governance

Aufgabe der Hochschule Hof ist es innerhalb des Projektes, die Steuerung der Datennutzung rechtskonform zu gestalten. „Dazu gehört festzustellen, wer welche Rechte an den Daten hat, wer diese Rechte anderen einräumen kann und wie sich das Ganze in die Prozessabläufe im Bau einfügt“, erklärt Prof. Dr. Beatrix Weber. Hochschulpräsident Prof. Lehmann zeigte sich recht zufrieden darüber, dass die Hochschule Hof eine so bedeutende Rolle im Gesamtprojekt einnehmen darf.

Landkreis Hof engagiert bei Digitalisierung im Bauwesen

Die öffentliche Hand spielt im Bauprozess eine Schlüsselrolle, da jedes Bauprojekt geprüft und genehmigt wird. Mit dem iECO-Datenraum werden in der Modellregion Hof kann das komplette Prüf- und Genehmigungsverfahren in digitalisierter Form erfolgen. Allein durch den Entfall der Postlaufzeit kommt es absehbar zu einer Beschleunigung der Genehmigungs- und Prüfprozesse, die Vorteile der Digitalisierung gehen aber weit darüber hinaus“, zeigt sich auch Hofs Landrat Dr. Oliver Bär optimistisch.

Das Projekt wird sich sehr positiv auf Prozessqualität und Nachhaltigkeit auswirken.“

Dr. Oliver Bär, Landrat des Landkreises Hof

Der Landkreis Hof engagiere sich gerne bei iECO, sei man doch bereits einer der bayerischen Landkreise, die schon im März 2021 mit dem Modellverfahren „Digitale Baugenehmigung“ nach der bayerischen „Digitalen Bauantragsverordnung“ begonnen haben, so der Landrat weiter.

Bauherr verfügt über digitalen Gebäudeausweis

Und nach dem Bauprozess stehen dem Bauherrn die Unterlagen in digitalisierter Form zur Verfügung. „Die LGA bringt ihre Erfahrung aus der Bearbeitung von Prüfaufträgen ein und hilft diese in digitale Prozesse zu übersetzen und zu verbessern. Insgesamt arbeiten ein Mitarbeiter in Vollzeit und zwei anteilig im Projekt“, so LGA-Vorstand Hans-Peter Trinkl.

Die Projektergebnisse und -entwicklungen sollen letztlich nicht nur den großen Unternehmen , sondern auch KMU und Handwerk die Teilnahme an digitalen Prozessen ermöglichen.”

Prof. Dr. Beatrix Weber

Sie setzt dabei darauf, dass sich eine effiziente Lösungen auf lange Sicht immer am Markt durchsetzen werden.

Hohe Projektförderung

Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderte Projekt läuft bis zum 30.11.2024 und wird mit einer Fördersumme von insgesamt 11,5 Mio. EUR unterstützt. Auf die Hochschule Hof entfallen davon 1,2 Mio. EUR, auf die Landesgewerbeanstalt Bayern (LGA) 433.000 EUR.

Beteiligte Partner:

Industrie:
RIB Information Technologies AG (Konsortialführer), Software AG, Implenia Hochbau GmbH, A1 Digital Deutschland GmbH, N+P Informationssysteme GmbH, IPRO Consult GmbH;

Forschung:
Fraunhofer Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V.; Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hof, TU Dresden, LGA Landesgewerbeanstalt Bayern Körperschaft des öffentlichen Rechts, IOTA Stiftung;

Assoziierter Partner:
Landkreis Hof


Rainer Krauß

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