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Vom Mikroskop auf die „Wiesn“: Jessica Wittmann bediente auf dem Oktoberfest

Während viele Hochschulangehörige vor dem Start ins neue Semester ihren wohlverdienten Urlaub antraten, erlebte Jessica Wittmann, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Materialwissenschaften (ifm) und aktuelle Doktorandin, ein ganz besonderes und eher ungewöhnliches Abenteuer. Sie erfüllte sich einen Kindheitstraum und arbeite 17 Tage als Bedienung im legendären „Schottenhamel“-Festzelt auf dem Münchner Oktoberfest. Wir haben natürlich nachgefragt.

“Und wieder ein Tag geschafft!” – Jessica Wittmann freut sich gegen Mitternacht über das Ende ihres Arbeitstages auf dem Münchner Oktoberfest; Bild: privat;

Liebe Frau Wittmann, wie geht es Ihnen und wie haben Sie die Tage auf dem Oktoberfest erlebt?

„Die ersten Tage waren geprägt von Adrenalin, Vorfreude, Anspannung und auch Neugierde. Es dauerte einige Tage, bis ich mich an die Umgebung, den Trubel, die Lautstärke und auch an die körperliche Anstrengung gewöhnt hatte. Der schlimmste Tag für mich war der 4. Tag, da war ich körperlich wirklich am Ende. Trotz vieler Zweifel habe ich die 17 Tage „Wiesn“ aber durchgezogen und nach dem „Bergfest“, also der Hälfte der Zeit, zählt man zugegebenermaßen schon die Tage. Aber das gesamte Team der Kellnerinnen und Kellner trägt einen weiter – das motiviert extrem.“

Die allermeisten kennen das Oktoberfest, das größte Volksfest der Welt, natürlich nur als Gast. Wie aber sieht der Tagesablauf einer Bedienung aus?

„Der beginnt damit, dass die Service-Teams, also die in Teams eingeteilten Kellnerinnen und Kellner, ihren Service-Bereich vor Öffnung der Wiesn-Tore vorbereiten. D.h. Säubern der Tische und Bänke oder Aufstellen der Speisekarten. Hinzu kommt, dass im Vorfeld die Reservierungen für den jeweiligen Tag gecheckt werden. Je nach Reservierungstyp sind entsprechende weitere Vorbereitungen wie z. B. Tischdecken, Brotzeitbänkle, spezielle Eindeckungen etc. zu tätigen. Spezielle Reservierungen können auch eigene Speisekarten und sog. Memos bedeuten. Ein Memo enthält u. a. verschiedene Wünsche der Gäste, wie z. B. Sonderbestellungen wie Brezen zum Brotzeitbrett oder diverse Nachspeisenwünsche.“

Im Festzelt Schottenhamel findet traditionell seit 1950 der offizielle Anstich des Oktoberfestes statt – die “Wiesn” selbst wurde 2022 im 187. Jahr gefeiert. Bild: privat;

Wie hat sich ihr Job auf dem Oktoberfest eigentlich ergeben – so einfach melden kann man sich da ja nicht?

„Der Job hat sich über ein Zusammenspiel verschiedener Umstände ergeben. Nach der zweijährigen Corona-Pause haben sich im Kellner-Team diverse personelle Änderungen ergeben und es wurde teilweise neues Personal gesucht. Die Gründe für die Personalveränderungen sind dabei vielfältig: Familienplanung, Operationen, andere Prioritäten, etc. Da der Partner meiner Firmpatin seit mehreren Jahren schon im Schottenhamel Zelt bedient hat, kam so die Überlegung im Bekanntenkreis nach passenden Besetzungen zu suchen. Er wusste, dass ich schon seit ca. 15 Jahren sowohl auf diversen Volks- und Wiesenfesten als auch im Gastronomie-Bereich bedient habe und daher bekam ich eines Tages einen Anruf von ihm. Er fragte, was ich vom 17. September bis zum 03. Oktober mache und ob ich Lust auf die Aufgabe hätte. Danach ging alles recht schnell: Zunächst musste ich natürlich mit meinem Vorgesetzten an der Hochschule abklären, ob ich arbeiten darf. Nach der internen Zusage musste auch hier eine Bewerbung geschrieben werden und binnen kürzester Zeit hatte ich dann die finale Zusage zur Wiesn 2022 im Schottanhamel Festzelt als Kellnerin zu arbeiten.”

Welche Erfahrung muss man dafür konkret mitbringen?

„Streng genommen muss man gar keine Erfahrung mitbringen – außer die Freude am Kellnern. Es ist aber schon von Vorteil, wenn man entsprechende Erfahrungen in der Branche hat. Dazu gehören bspw. Erfahrungen als Kellner auf Volks- und Wiesenfesten oder auch im Gastronomie-Bereich. Je mehr Erfahrung man mitbringt, desto leichter ist es, das dort genutzte Schank- und Küchensystem zu verstehen und anzuwenden. Eine junge Kellnerkollegin im Nachbarservice hatte bspw. keinerlei Kellner-Erfahrung. Aber sie hat es gemeistert und in kürzester Zeit alles gelernt. Das Beispiel zeigt recht gut, dass mit genügend Motivation und Wille so einiges möglich ist.“

Jessica Wittmann mit ihren direkten Kellnerkollegen Peter; Bild: privat;

Was fasziniert Sie an der Aufgabe?

„Zum einen, dass das Kellnern für mich ein spannendes Kontrastprogramm zu meiner aktuellen Arbeit darstellt. Es fordert und fördert einen auf ganz anderen, sehr vielschichtigen Ebenen. Zum anderen freut es mich, wenn Gäste nach einem Wiesn-Besuch nach Hause gehen und sich für den schönen Abend und den guten Service bedanken. Solche Feedbacks sind sehr toll, motivieren und lassen einen schlussendlich wissen, dass man seinen Job wohl gut gemacht hat. Wenn solch ein Lob dann sogar an die Festwirte selbst geht, in dem Fall an die Familie Schottenhamel, ist das eine sehr große Ehre für jede Kellnerin bzw. jeden Kellner. Eine weitere Faszination ist sicher der Zusammenhalt im Kellnerteam. Man unterstützt sich gegenseitig in vielen Bereichen, sei es in der Vorbereitung wie z. B. beim Feststecken des Häuberls, oder dem Binden der Schürze. Nicht zu vergessen: Alle ziehen an einem Strang und motivieren sich gegenseitig” Und sie ergänzt:

Das ist ein ganz toller Teamspirit, der einen schlussendlich durch harte 17 Tage Dauerstress trägt.”

Jessica Wittmann

Wie geht es danach an der Hochschule weiter?

„Nach drei Tagen Erholungsurlaub tauche ich sofort wieder in die Forschungswelt ein und werde mich mit neuen, frischen Gedanken meinem aktuell laufenden Forschungsprojekt “KH Bett” widmen. Auf dem Plan stehen einige Experimente und Versuchsreihen, die bis zum Projektende noch durchgeführt werden sollen. Durch die 17 Tage Wiesn habe ich etwas Abstand gewinnen können, der es mir jetzt ermöglicht die Projektziele mit neuen Ansätzen und anderen Sichtweisen zu verfolgen.“


Rainer Krauß

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