In diesem Jahr drehte sich beim 9. EUROPA-FORUM alles um die Beziehungen zwischen Europa und Lateinamerika. Referentin Sandra Weiss, Journalistin und ehemalige Diplomatin diskutierte das koloniale Erbe und die Auswirkungen auf die Jetzt-Zeit. Gerald Knoll, Geigenbogenbauer aus Oberprex, sprach darüber, wie schwierig es ist, sein Geschäftsmodell mit Pernambuk-Holz zu erhalten, weshalb er sich in Artenschutzprogrammen organisiert. Rund hundert Gäste fanden den Weg ins Audimax der Hochschule Hof.
Warum eine Veranstaltung zu Lateinamerika? „Wir unterstützen das Potenzial einer jungen Bevölkerung“, so Vizepräsident Prof. Dr.-Ing. Dietmar Wolff bei seiner Eröffnung des EUROPA-FORUMS. Lange habe die Hochschule Hof den Schwerpunkt auf den indischen Kontinent gelegt, jetzt erweitere man das Portfolio um verschiedene lateinamerikanische Staaten. „Man braucht von beiden Seiten Treiber, damit diese Kooperationen funktionieren“ – und die hätte man jetzt: „Wir haben die neue Strategie der Hochschule Hof gerne aufgenommen“, so Peter Schäfer, Professor für Europarecht und Mit-Initiator der Veranstaltung.
Lateinamerika sei mit 27 Staaten rund fünfmal so groß wie Europa, da lohne sich der detailliertere Blick. „Europa muss nach Wertepartnern suchen“, so Schäfer und laut der neuesten Bertelsmann-Studie sei Lateinamerika ein wichtiger Kontinent für eine Wertepartnerschaft. Schäfer gab auch zu, dass es sich dabei um „formal perfekte, aber faktisch ausbaubare Demokratien handele“.
Koloniales Erbe…
Sandra Weiss, die für zahlreiche Zeitschriften schreibt, plädierte für einen konstruktiven Umgang mit dem kolonialen Erbe und wusste auch konkrete Veränderungen im gegenseitigen Umgang zu benennen: „Bislang hat man z.B. in Mexiko die sogenannte „Entdeckung Amerikas“ immer am 12. Oktober gemeinsam mit Spanien gefeiert.“ Jetzt ginge es stattdessen um finanzielle Wiedergutmachung und eine Entschuldigung von Spanien. Da könne es dann auch schon einmal passieren, dass der spanische König nicht zu den Feierlichkeiten eingeladen würde. Die Gründe hierfür seien zahlreich: Zerstörung von Ökosystemen durch die Kolonialherrschaft und disruptive Erfahrungen der indigenen Bevölkerung. Rohstoffe würden zumeist unverarbeitet exportiert und brächten nicht das Geld, das verarbeitete Produkte erwirtschaften würden. „Reiner Extraktivismus bringt nichts“, so Weiss.
…und seine heutigen Konsequenzen
Eine weitere Konsequenz sei, dass Lateinamerika heute der gewalttätigste Kontinent sei und an vielen Orten ein ökologischer Kollaps festzustellen sei, wie z.B. die koloniale Zerstörung der Lagunenstadt Tenochtichlán, dem heutigen Mexiko City, das als Folge unter großem Wassermangel leide. Die Muster wiederholten sich: „Reicher Kern und arme Peripherie“, da hälfen nur neue Vorgehensweisen wie z.B. die Kombination von alten Kenntnissen mit neuen Technologien. Konkret nannte sie den 10- Punkte-Plan vom Reparationskomitee der Karibikstaaten, bei dem es um eine Neubewertung von Kolonialismus und Sklaverei in Europa geht.
Wiederaufforstung von Pernambuk-Holz
Auch Gerald Knoll, oberfränkischer Hidden Champion und international bekannter Geigenbogenbauer aus Oberprex, zog seine Schlüsse: Nachdem im großen Maßstab an der Mata Atlantica Holz abgeholzt oder brandgerodet worden sei, sei auch sein Geschäftsmodell in Gefahr. 2002 habe er seinen Betrieb in vierter Generation übernommen und bis in die 90er Jahre sei es nicht schwierig gewesen, das für den Bogenbau unerlässliche Pernambuk-Holz zu erwerben. Dann jedoch sei der Holzanbau der Landwirtschaft und dem Eukalyptusanbau gewichen. „Meine Lösung ist, dass ich mich bei IPCI, dem Artenschutzprogramm engagiere, denn das will wieder mehr Bäume pflanzen, damit wieder hochwertiges Holz für Musiker da ist“. Gegründet wurde es 2002 von Bogenmachern, es sei „einmalig, dass eine einzige Branche sich hier international übergreifend zusammengetan und mittlerweile 340.000 Bäume gepflanzt habe“, oftmals auch mit Partnern aus dem Kakaoanbau.
Kooperation mit indigener Umweltaktivistin
Er begrüße es auch sehr, dass das Pernambuk-Holz mittlerweile in das Washingtoner Artenschutzabkommen aufgenommen sei. Um beim Streichbogenbau zum Einsatz zu kommen, brauche das Holz zudem eine mehrjährige Lagerung – „fast schon generationenübergreifend“, schmunzelt Knoll. „Ich bin stolz darauf, dass wir auch mit einer indigenen Umweltaktivistin zusammenarbeiten“, so Knoll, denn Ziel sei es, auch das mittlerweile fehlende Wasser zurückzuholen und hierfür bräuchte man altes Wissen. Zu bedenken sei auch dies: „Ohne den Geigenbau wäre unsere Kultur um einen wichtigen Bereich ärmer.“
Von Mexiko und Kolumbien nach Hof
Die beiden letzten Präsentationen wurden von einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin und einer Studentin der Hochschule Hof gehalten: Paola Acosta Carrascal, die am Institut für nachhaltige Wassersysteme (inwa) arbeitet, stellte vor, wie Oberfranken mit Partnern aus Lateinamerika wissenschaftlich zusammenarbeitet – so beispielsweise mit einem meereswissenschaftlichen Institut (CE Marin) und einem Programm für ökologische Nachhaltigkeit im Klimawandel (Euroclima+). „Auch das Bundesforschungsministerium (BMBF) hat gerade Ausschreibungen zur Kooperation mit Lateinamerika laufen, „daran beteiligen wir uns“, sagt die Forscherin.
Ambar Reyes Torres hatte schon einige Zeit in Deutschland verbracht, als sie das Studium Global Management an die Hochschule Hof brachte: „Abgesehen davon, dass es hier doch recht kalt ist –gefällt es mir in Hof sehr gut“, so Reyes Torres.
Durch den Abend führte souverän Michael Ertel, Redakteur bei der Frankenpost. Nach einer abschließenden Diskussion fanden sich Referenten und Gäste zu einem kleinen Get Together zum weiteren Austausch zusammen.